Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der Aufgaben der Stadtentwässerung als Lieferung an die Stadt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG
Leitsatz (redaktionell)
Von einer Stadtwerke AG im Auftrag der Stadt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erstellte Anlagen zur Kanalnetzerweiterung, die nach Wert und Ertrag in der wirtschaftlichen Verfügungsmacht der AG verbleiben sollen und für die ihr die Gefahrtragung und die Erhaltungspflicht obliegen, werden ungeachtet der tatsächlich erlangten zivilrechtlichen Stellung nicht umsatzsteuerlich an den kommunalen Auftraggeber geliefert.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
1997
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin Abwasseranlagen, die sie im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben der Stadtentwässerung errichtet hat, im Streitjahr an die Stadt i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – geliefert hat.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der A-Stadt Stadtwerke AG (im Folgenden: AG) - einer Kapitalgesellschaft, an der zu 99,52 % die Stadt A und zu 0,48 % die Stadt B beteiligt gewesen sind. Mit „Entsorgungsvertrag” vom 31. 07. 1997 übernahm die AG den Bereich der „Stadtentwässerung” von der Stadt A. Die Aufgaben umfassen Planung, Finanzierung, Herstellung und/oder Anschaffung, Unterhaltung und/oder Instandsetzung sowie Erneuerung und/oder Verbesserung von Abwasseranlagen (§ 2 des Vertrages). Sie sind zu erfüllen mit den von der Stadt A beigestellten Altanlagen und mit von der AG neu zu bauenden Abwasseranlagen. Bei letzteren handelt es sich gemäß § 1 Abs. 6 des Vertrages „insbesondere um Kanäle und Anschlüsse in Neubaugebieten oder solche, die dem erstmaligen Anschluss von Anschlussnehmern dienen. Außerdem handelt es sich insbesondere um neu gebaute Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten, die über das am 30. 09. 1996 vorhanden gewesene System wesentlich hinaus gehen (z. B. Sammler, Becken) und/oder durch welche die vorhandenen technischen Kapazitäten wesentlich erweitert werden (Pumpwerke o. ä.).” Der Vertrag sieht in § 1 Abs. 8 vor, dass neu gebaute Abwasseranlagen im Eigentum der AG stehen, in dieses überführt oder in eigentumsähnlicher Weise zugunsten der AG gesichert werden. Beigestellte Abwasseranlagen stehen im Eigentum der Stadt. Für die neu gebauten Abwasseranlagen, die die AG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erstellt, trägt die AG im Verhältnis zur Stadt die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Wiederherstellung (§ 6 Abs. 2 des Vertrages). Nach § 14 Abs. 1 erhält die AG von der Stadt für „ihre Leistungen Entgelte”. Die „laufenden Entgelte für Leistungen, die die AG hinsichtlich der beigestellten und der neugebauten Abwasseranlagen im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbringt, werden ihr von der Stadt A vergütet (§ 14 Abs. 3). Das Entgelt setzt sich im Wesentlichen aus den Betriebskosten, kalkulatorischen Abschreibungen (lineare Berechnung unter Zugrundelegung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer), kalkulatorischen Zinsen und Gewinnzuschlägen zusammen. Nicht erfasst werden solche Kosten, die im Rahmen von Erneuerungs- und/oder Verbesserungsmaßnahmen an beigestellten Anlagen gesondert abgerechnet werden. Das Entgelt wird jährlich neu berechnet. Nach Maßgabe der Einzelnachweise erhebt die Stadt Beiträge und leitet sie an die AG weiter bzw. verwendet sie im Übrigen zur Senkung der Abwassergebühr. Die Vertragsparteien streben die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und den Abwasserkunden für einen Zeitpunkt an, zu dem dies rechtlich zweifelsfrei möglich und angezeigt ist (§ 15). Der Vertrag kann erstmals zum 31. 12. 2017 gekündigt werden; bei Ausbleiben der Kündigung läuft er gemäß § 16 mit unbestimmter Dauer weiter. Nach Beendigung des Vertrages hat die AG der Stadt ohne Einreden sämtliche Rechtspositionen an den Abwasseranlagen zur Verfügung zu stellen; die Stadt schuldet der AG lt. § 17 Abs. 6 die Übernahme der Abwasseranlagen und der sonstigen Sachanlagen gegen Zahlung „des angemessenen Wertes unter Berücksichtigung der durch die Verrechnung in den Entgelten bereits amortisierten Beträge"; für die übrigen Aktiva und Verbindlichkeiten wird der „Buchwert” angesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Entsorgungsvertrag Bezug genommen.
Auf der Grundlage des Entsorgungsvertrages erweiterte die AG das vorhandene Kanalnetz im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Anbauten wurden bei der AG aktiviert und abgeschrieben (1997 rd. 8 Mio. DM; 1998 rd. 20 Mio. DM). Erweiterungen in geringerem Umfang wurden nicht aktiviert, sondern unmittelbar mit der Stadt abgerechnet. Umsatzsteuerlich erklärte die AG für das Streitjahr 1997 sonstige Leistungen in Höhe der von der Stadt vertraglich erhaltenen Vergütung.
Im Rahmen einer für die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1998 bei der AG durchgeführten Außenprüfung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung vertrat der Prüfer folgende Auffassung (Tz. 17, 32 des BP-Beric...