Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitsmaßnahmen bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages
Leitsatz (redaktionell)
- Die Finanzbehörde kann Billigkeitsmaßnahmen im Rahmen der Festsetzung von Gewerbesteuermessbeträgen nur treffen, wenn sie durch eine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder eine Richtlinie der obersten Landesfinanzbehörde dazu ausdrücklich ermächtigt wird.
- Ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit kann nicht auf Grund des Einverständnisses der hebeberechtigten Gemeinde verfahrensrechtlich als unbedenklich angesehen werden.
- Der Wegfall des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags aufgrund fehlender Unternehmeridentität infolge des Gesellschafterwechsels bei einer KG und die Besteuerung des Gewinns aus der Auflösung einer Rückstellung, die zur Erhöhung des weggefallenen Verlustvortrags geführt hatte, entspricht den gesetzlichen Vorschriften und kann unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen nicht als unbillig angesehen werden.
Normenkette
AO §§ 5, 163 S. 1, § 184 Abs. 2 S. 1; FGO § 102; GewStG § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 10a Sätze 4, 8
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Rückstellungsauflösung als einzelne Besteuerungsgrundlage im Jahre 2008 nach § 163 der Abgabenordnung (AO) bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages unberücksichtigt zu lassen ist.
In den Jahren 2004 bis 2006 erzielte die A GmbH & Co. KG Verluste i.H.v. 2.575.493 €, die mit Bescheid vom 17.04.2009 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2006 festgestellt worden sind. In diesen Verlusten waren Aufwendungen für eine Zuführung zu einer Rückstellung für Rückbauverpflichtung i.H.v. 566.046 € enthalten.
Die A GmbH & Co. KG bestand aus der B GmbH als Komplementärin und der C GmbH als Kommanditistin. Bei der C GmbH handelte es sich um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der D GmbH. Alleiniger Gesellschafter der D GmbH ist die E GmbH.
Mit Vertrag über die Spaltung und Übernahme vom ………..2007 hat die C GmbH im Wege der Abspaltung zur Aufnahme unter Fortbestand der übertragenden Gesellschaft nach § 123 Umwandlungsgesetz (UmwG) aus ihrem Vermögen das als Teilbetrieb geführte Geschäftsfeld „Vertrieb” als Gesamtheit mit allen Rechten und Pflichten auf die D GmbH übertragen. Nach Maßgabe des Spaltungs- und Übernahmevertrages vom ………….2007 sowie der Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung der C GmbH und der Gesellschafterversammlung der D GmbH vom selben Tage hat die C GmbH den Teilbetrieb „Vertrieb” als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Abspaltung auf die D GmbH mit Sitz in … als übernehmenden Rechtsträger übertragen. Die C GmbH schied in Folge dessen als Kommanditistin der A GmbH & Co. KG aus und die D GmbH trat im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Kommanditistin ein (steuerlicher Übertragungsstichtag 31.12.2006).
In der Gesellschafterversammlung vom ……...2010 beschlossen die D GmbH und die B GmbH, dass die alleinige Komplementärin mit Wirkung zum 31.10.2010 aus der Gesellschaft ausscheidet und die D GmbH das Geschäft der Gesellschaft mit allen Aktiva und Passiva ohne Liquidation (Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Anwachsung) übernimmt.
Die Entwicklung der Konzernstruktur ist den Organigrammen Seiten 24-27 der Gerichtsakten (GA) zu entnehmen.
Mit Bescheid vom 01.07.2009 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 wurde der vortragsfähige Gewerbeverlust der A GmbH & Co. KG auf 2.325 € festgestellt. Dies entspricht der Höhe des Gewerbeverlustes des laufenden Jahres 2007. Der bis zum 31.12.2006 entstandene Gewerbeverlust i.H.v. 2.575.493 € wurde wegen Wegfalls der Unternehmeridentität nicht mehr berücksichtigt. Der gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Eine Klage wurde nicht eingelegt.
Für das Jahr 2008 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. 12.736 € fest. Dabei legte er einen Gewinn aus Gewerbebetrieb des Jahres 2008 i.H.v. 390.805 €, der um den vorgetragenen Verlust aus dem Jahr 2007 (2.325 €) gemindert wurde, zu Grunde.
Mit Schreiben vom 09.06.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages 2008 nach § 163 AO. Zur Begründung trug sie vor, der zum 31.12.2006 festgestellte vortragsfähige Verlust resultiere i.H.v. 566.640 € aus der Zuführung zu einer Rückstellung für Rückbauverpflichtung. Da die Gründe für diese Rückstellung im Jahr 2008 weggefallen seien, habe die Rückstellung, deren Wert zu diesem Zeitpunkt noch 422.423,73 € betragen habe, aufgelöst werden müssen. Der Gewinn des Jahres 2008 resultiere damit in voller Höhe aus der Auflösung dieser Rückstellung. Eine Verrechnung mit der ursprünglichen Aufwandsbildung könne durch den Wegfall des vortragsfähigen Gewerbeverlustes im Jahr 2007 nicht erfolgen. Es handele sich nicht mehr um eine Durchbrechung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung, denn in der Totalperiode we...