vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskostenabzug für häusliches Arbeitszimmer – Arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines Telearbeitsplatzes – Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit bei anteiliger Nutzung nach Maßgabe der betriebliche Belange
Leitsatz (redaktionell)
- Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist auch eröffnet, wenn der Steuerpflichtige sich arbeitsvertraglich verpflichtet hat, zur anteiligen Nutzung nach Maßgabe der betriebliche Belange einen häuslichen Telearbeitsplatz vorzuhalten, ohne dass daraus eine Beschränkung der Verfügungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen über den Arbeitsplatz am Betriebssitz resultiert (entgegen Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 4 K 1270/09, EFG 2012, 1625).
- Ein Telearbeitsplatz im häuslichen Arbeitszimmer stellt nicht den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Bankangestellten dar, wenn bei qualitativ gleichwertiger Arbeitsleistung am Arbeitsplatz in der Bank und im Arbeitszimmer die Tätigkeit in der Bank quantitativ deutlich überwiegt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5 S. 1, § 52 Abs. 12 S. 9
Streitjahr(e)
2008, 2009, 2010
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Arbeitszimmeraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Tätigkeit als Bankkaufmann. Die Klägerin ist als Bilanzbuchhalterin ebenfalls nichtselbständig tätig. Daneben erzielen beide Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger ist Angestellter der X-Bank in K und fungiert als „Referent medialer Betrieb”. Er übt seine Tätigkeit im …Center in A aus, wobei er mit der X-Bank eine sog. Zusatzvereinbarung Telearbeit (vgl. Einspruchshefter der Beklagten) getroffen hat. Danach haben die Beteiligten vereinbart, dass der Kläger seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit in der Privatwohnung ausübt, soweit nicht betriebliche Belange die Arbeitsleistung in den Räumen der X-Bank erfordern. Für die Telearbeit werden dem Kläger die erforderlichen Arbeits- und Hilfsmittel kostenlos zur Verfügung gestellt (vgl. Inventarliste, Blatt 64 der Gerichtsakte). Die X-Bank zahlt eine Pauschale von 51,13 € für die Kosten des häuslichen Arbeitsplatzes (vgl. die gemeinsame Erklärung des Vorstandes und des Personalrates der X-Bank in K zur Pilotphase Telearbeit, Einspruchshefter des Beklagten). Der Anteil der Telearbeit wurde mit 40 bis 60 % festgelegt (vgl. Bestätigung der X-Bank, Blatt 73 der Gerichtsakte). In den Streitjahren nutzte der Kläger für die Telearbeit ein häusliches Arbeitszimmer in der Wohnung bzw. – ab April 2008 – im Einfamilienhaus der Kläger in M.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2010 machten die Kläger für Zwecke der Entfernungspauschale 131, 120 bzw. 122 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einer Entfernung von jeweils 58 km sowie Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer i.H.v. 1.908 €, 1.263 €, 1.225 € als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
In den Bescheiden vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011 (Einkommensteuer 2008), 12. Juli 2010 (Einkommensteuer 2009) bzw. 28. Juli 2011 (Einkommensteuer 2010) berücksichtigte das beklagte Finanzamt die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erklärungsgemäß als Werbungskosten, die Arbeitszimmeraufwendungen hingegen nicht.
Dagegen legten die Kläger rechtzeitig Einspruch ein. Im Hinblick auf die Arbeitszimmeraufwendungen führten sie aus, dass die Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer in qualitativer wie quantitativer Hinsicht einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers ausmache. Der qualitative Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege im Arbeitszimmer. Auch in quantitativer Hinsicht überwiege die Tätigkeit im Arbeitszimmer. Zur Erläuterung nahmen die Kläger auf den Tätigkeitskatalog der X-Bank in K aus Juli 2003 sowie eine Aufstellung über die im Arbeitszimmer und in der X-Bank abgeleisteten Arbeitstage (vgl. Einspruchshefter des Beklagten) Bezug.
Mit Schreiben vom 28. September 2011 wies das beklagte Finanzamt die Kläger auf die Möglichkeit der Verböserung hin und bat um Erläuterung der im Vergleich zu den Vorjahren gestiegenen Entfernungskilometer.
Mit Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre dergestalt, dass er der Entfernungspauschale nur noch eine Entfernung von 49 km – die nach seiner Auffassung verkehrsgünstigere Strecke – zugrunde legte. Den Einspruch hielt er, soweit über ihn entschieden wurde, für unbegründet und berief sich darauf, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit des Klägers gebildet habe. Da alle wesentlichen Aufgaben des Klägers objektiv sowohl im Arbeitszimmer als auch am betrieblichen Arbeitsplatz erledigt werden kö...