Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der steuerlichen Berücksichtigung einer Erwerbsminderungsrente mit einem Ertragsanteil von 50 % i.R.d. Einkünfteermittlung aus wiederkehrenden Bezügen
Leitsatz (redaktionell)
- Die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes, nach der der Besteuerungsanteil bei einem Rentenbeginn bis 2005 50 % beträgt, erfasst auch Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die bisher als abgekürzte Leibrenten nach der Ertragsanteilstabelle in § 55 Abs. 2 EStDV besteuert wurden.
- Dies gilt auch für in 2006 zugeflossene Nachzahlungen, die auf Zeiträume vor 2005 entfallen.
- Die Rentenbesteuerung nach dem Alterseinkünftegesetz ist verfassungsgemäß.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; EStDV § 55 Abs. 2
Streitjahr(e)
2004, 2005
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin erhält seit dem 1. Juni 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß Rentenbescheid vom 18. Januar 2006. Die Rentenbeträge für die Zeit ab dem 1. Juli 2004 wurden ihr erst im Jahr 2006 ausbezahlt. Von der in 2006 insgesamt gezahlten Rente von 35.489 EUR entfielen 20.804 EUR auf die Nachzahlung für 2004 und 2005.
Im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 9. Mai 2007 berücksichtigte der Beklagte die Rente mit einem Ertragsanteil von 50 %, auch hinsichtlich der auf die Vorjahre entfallenden Beträge. Am 23. Mai 2007 änderte der Beklagte den Bescheid nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, da die Rente für Januar und Februar 2006 versehentlich doppelt erfasst worden war. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und trugen vor, die Rentenbeträge für 2004 und 2005 beliefen sich auf 20.520,51 EUR, für 2006 auf 14.685,60 EUR. Es handle sich um eine Erwerbsminderungsrente, welche unter § 22 Nr. 1 Satz 3 a) bb) EStG falle. Schließlich handle es sich um eine abgekürzte Leibrente i.S. von § 55 Abs. 2 EStDV, da die Laufzeit bis zum Eintrittsalter der Klägerin bei der Altersrente beschränkt sei. Damit betragen die Laufzeit 18 Jahre und der Ertragsanteil 19 %. Der Beklagte änderte den Einkommensteuerbescheid am 20. Juni 2007 erneut, da der Nachzahlungsbetrag 20.804 EUR betrage und die für 2006 gezahlte Rente 14.685 EUR. Den Einspruch wies er am 22. Juli 2007 zurück und führte zur Begründung aus, die Rente gehöre zu den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) EStG und unterliege der Besteuerung mit 50 %. Unstreitig handle es sich um eine abgekürzte Leibrente i.S. von § 55 Abs. 2 EStDV. Voraussetzung für die Besteuerung nach § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) EStG sei, dass die Zahlungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen geflossen seien. Nach dem BMF-Schreiben vom 30. Januar 2008 (BStBl I 2008 S. 390 Tz. 90) erfasse § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) EStG alle Leistungen, egal ob Rente, Teilrente oder einmalige Leistung. Dem § 22 Nr. 1 S. 3 a) bb) EStG seien abgekürzte Leibrenten zuzuordnen, die nicht unter § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) EStG fielen, wie private selbständige Erwerbsminderungsrenten (Tz. 109 des o.a. BMF-Schreibens).
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger tragen vor:
Die Auffassung des Beklagten treffe nicht zu. Es liege eine abgekürzte Leibrente vor. Der Ertragsanteil richte sich nach § 55 Abs. 2 EStDV und betrage 19 %. Für die vom Beklagten vorgenommene höhere Besteuerung fehle die gesetzliche Grundlage. Soweit § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG auf Vorschlag des Finanzausschusses um die Worte „und andere Leistungen” ergänzt worden sei, sei dies nicht in der Absicht geschehen, eine veränderte Besteuerung für abgekürzte Leibrenten herbeizuführen. Dies ergebe sich aus dem Bericht des Finanzausschusses vom 29. April 2004 (BT-Drs. 15/3004). Dort heiße es, dass der Begriff „Leibrenten” um den Begriff „andere Leistungen” erweitert werde, weil z.B. bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen und Pensionskassen Teilkapitalisierungen zulässig seien, die andernfalls nicht steuerbar wären. An der Besteuerung der abgekürzten Leibrenten habe nichts geändert werden sollen. Zudem sei ein Teil des Rentenbetrags für das Jahr 2004 nachgezahlt worden. Deshalb könnten nicht später geänderte Vorschriften zu Lasten der Klägerin angewandt werden. Eine höhere Besteuerung abgekürzter Leibrenten verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, da dem Stpfl. durch die Erwerbsunfähigkeit keine zusätzliche Leistungsfähigkeit zuwachse.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2006 vom 20. Juni 2007 die Einkommensteuer um 2.850 EUR herabzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte trägt vor:
Auch gesetzliche Renten wegen Erwerbsminderung unterlägen bei Rentenbeginn in 2005 oder früher nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG einem Besteuerungsanteil von 50 %. Abgekürzte Leibrenten würden wie die gesetzlichen Altersrenten besteuert. Auch Renten weg...