Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschreibung einer alten Meistergeige. Einkommensteuer 1991
Leitsatz (amtlich)
Eine erworbene alte Meistergeige, die von einer Konzertmeisterin ständig beruflich genutzt wird, unterliegt einem technischen Verschleiß, der eine AfA rechtfertigt. Die Anschaffungskosten des Instruments können auf eine Nutzungsdauer von 50 Jahren verteilt werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nrn. 6-7, § 7 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1991 vom 23.11.1992 und für 1992 vom 15.7.1993 wird die Einkommensteuer für 1991 auf 43.486,– DM und für 1992 auf 48.588,– DM herabgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 40 % und der Beklagte 60 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Musikerin. Sie wohnte bis 1988 in der Schweiz, wo sie eine Geige „XY” zum Preis von umgerechnet 247.280,– DM erwarb.
In den Jahren 1991 und 1992 (Streitjahre) sowie in den Jahren davor war sie 1. Konzertmeisterin im Philharmonischen Orchester A – Stadt mit einem Bruttoarbeitslohn von ca. 140.000,– DM. Nach einer Bescheinigung ihres Arbeitgebers benutzte sie die Geige in den Spielzeiten 1988/1989 bis 1991/1992 durchschnittlich 190mal in Ausübung ihres Berufs. Nach einer in den Einkommensteuerakten befindlichen Bescheinigung vom 13.10.1992 beträgt der Wert des Instrumentes, der auch der hierfür abgeschlossenen Versicherung zugrunde liegt, ca. 392.000,– DM. In den Einkommensteuerakten finden sich ferner Belege über Wartungsarbeiten, die an der Geige durchgeführt wurden.
In ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre begehrten die Kläger, die Anschaffungskosten des Instruments auf eine Nutzungsdauer von 30 Jahren zu verteilen und jährliche Absetzungen für Abnutzung i.H.v. 8.242,– DM zum Werbungskostenabzug bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zuzulassen.
Der Beklagte berücksichtigte bei den Veranlagungen die begehrten Abschreibungen nicht. Hiergegen richtet sich nach erfolglosen Einspruchsverfahren die vorliegende Klage.
In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter betont, daß die Geige regelmäßig von einem in der Schweiz ansässigen Fachmann gewartet werde. Nur so sei eine Erhaltung der hervorragenden Eigenschaften des Instruments gewährleistet.
Die Klägerin sei nach einem vorübergehenden Aufenthalt in der Schweiz wieder als 1. Konzertmeisterin in A. – Stadt tätig, wobei sie nach wie vor mit der 1988 erworbenen Geige spiele.
Die Kläger beantragen,
in den Jahren 1991 und 1992 weitere Werbungskosten i. H. v. jeweils 8.242,67 DM bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt verweist darauf, daß eine Abnutzung der Geige bislang weder erkennbar noch nachvollziehbar vorgetragen sei. Dann aber sei eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nicht bestimmbar, weshalb auch die Gewährung einer AfA nicht in Betracht komme.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Der begehrte Werbungskostenabzug ist der Klägerin dem Grunde nach zu gewähren. Die Höhe der in den Streitjahren abziehbaren Beträge ist hingegen auf der Basis einer 50jährigen Nutzungsdauer zu ermitteln.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG auch Aufwendungen für Arbeitsmittel, bei denen es sich über die dort beispielhaft genannten Fälle hinaus allgemein um Gegenstände handelt, die zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen (Schmidt. Komm. z. EStG. 16. Aufl. 1997, § 9 Tz. 170).
Der Senat hegt keine Zweifel daran, daß es sich bei der Geige der Klägerin um ein Arbeitsmittel handelt. Denn mit etwa 190 Einsätzen in jeder Spielzeit wird das Instrument so häufig von ihr beruflich genutzt, daß eine gelegentliche private Nutzung daneben untergeordnet erschiene. Auch das Finanzamt hat in der Einspruchsentscheidung keine Umstände vorgetragen, die zu einer anderen Beurteilung Anlaß geben. Der Hinweis, die Geige könne auch als Sammlungsobjekt oder Vermögensanlage dienen, ist spekulativ und dürfte wohl vor dem Hintergrund einer Wertsteigerung zu sehen sein, aus der bei einer Veräußerung des Instruments keine steuerpflichtigen Einnahmen resultieren würden.
Auch der Beklagtenvertreter hat sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert, daß er die Arbeitsmitteleigenschaft der Geige nicht mehr bestreite.
Erstreckt sich die Nutzung eines Arbeitsmittels über mehr als ein Jahr, so sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG nur Absetzungen für Abnutzung als Werbungskosten abziehbar. Diese bemessen sich nach näherer Maßgabe des § 7 EStG nach der Dauer des Zeitraums, in dem ein Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften verwendet oder genutzt wird. Dies gilt jedoch nur, soweit das Wirtschaftsgut seine bestimmungsgemäße Nut...