vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz: Aufhebung der Zollaussetzung nach der VO Nr. 1387/2013 für zusammengesetzte Waren – Verbundfolien aus Polypropylen – Erkennbarkeit eines Irrtums der Zollbehörde – Erforderlichkeit einer Verpflichtungsklage für ab dem 1.5.2016 entstandene Zollschuldbeträge
Leitsatz (redaktionell)
- Bei mit einem Polyurethan-Kleber verbundenen Folien aus Polypropylen handelt es sich um unter den Ausschluss von der Zollaussetzung nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 fallende zusammengesetzte Waren.
- Die Bindungswirkung anderslautender verbindlicher Zolltarifauskünfte ist gemäß Art. 1 Nr. 1 der VO 2015/982 ab dem 1. Juli 2015 entfallen.
- Irrtümer der Zollbehörden, die auf der Nichtbeachtung der damit eingetretenen Änderung der Rechtslage beruhen, rechtfertigen nicht die Gewährung von Vertrauensschutz, wenn eine gewerbsmäßige Einführerin mit einer Änderung der Vorschriften über die von ihr in Anspruch genommene Zollaussetzung rechnen musste und den Eintritt dieser Änderung bei einer Lektüre des Amtsblatts der Europäischen Union hätte erkennen können.
- Der Anspruch auf Vertrauensschutz in Bezug auf ab dem 1. Mai 2016 entstandene Zollschuldbeträge kann nach Art. 119 Abs. 1 UZK nur noch mit der Verpflichtungsklage auf Erstattung oder Erlass der Einfuhrabgabenbeträge verfolgt werden.
Normenkette
UZK Art. 33 Abs. 2 Buchst. a, Art. 77 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2, Art. 102 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b, Art. 119 Abs. 1, Art. 288 Abs. 2; ZK Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1, Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1; Upos. 3921 19 00; VO (EU) Nr. 1387/2013 Art. 1 Abs. 1-2, Art. 2 Abs. 1-2; VO (EU) 2015/982 Art. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin führte aus Drittländern Verbundfolien aus Kunststoff ein, die sie unter der Unterposition 3921 19 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 als mikroporöse Polypropylenfolien mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr anmeldete. Dabei nahm sie die seinerzeit für derartige Waren nach der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 (VO Nr. 1387/2013) des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1344/2011 (ABl. EU Nr. L 354/201) geltende Zollaussetzung in Anspruch. Das Hauptzollamt X hatte der Klägerin drei verbindliche Zolltarifauskünfte jeweils vom 10. Juli 2013 erteilt, mit der die Verbundfolien in die Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 eingereiht worden waren.
In der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ...... wurde die Ware als transparente, bunt bedruckte Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 55 µm bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 20 µm, einem Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan und einer weiteren Polypropylenfolie mit einer Dicke von 20 µm beschrieben.
In der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ...... wurde die Ware als einseitig bunt bedruckte Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 58 µm bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 30 µm, einem Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan und einer weiteren weiß geschäumten Polypropylenfolie mit einer Dicke von 28 bis 30 µm beschrieben.
In der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ...... wurde die Ware als einseitig bunt bedruckte sowie auf der Rückseite silberfarbige Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 55 µm bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 15 µm, einem Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan und einer weiteren weiß geschäumten Polypropylenfolie mit einer Dicke von 25 µm sowie einer Metallisierung aus Polyester beschrieben.
Mit Art. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2015/982 (VO 2015/982) des Rates vom 23. Juni 2015 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren (ABl. EU Nr. L 159/5) wurde Art. 1 VO Nr. 1387/2013 dergestalt geändert, dass ein Absatz mit folgender Regelung hinzugefügt wurde: „Absatz 1 gilt nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren, die die in Anhang I aufgeführten Waren enthalten”.
Die Klägerin meldete in dem Zeitraum vom 3. Juli 2015 bis zum 30. Dezember 2016 in 143 Fällen die in den drei verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Verbundfolien unter der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Dabei nahm sie die Zollaussetzung nach der VO Nr. 1387/2013 in Anspruch. Bezüglich ihrer Zollanmeldungen vom 21. Januar, 21. März, 1. November und 5. Dezember 2016 fand eine Überprüfung der zu den Anmeldungen gehörenden Unterlagen durch die Zollstelle statt. Hinsichtlich ihrer Zollanmeldungen vom 3. Juli 2015 und 9. September 2016 fand jeweils eine Beschau d...