Entscheidungsstichwort (Thema)

Investitionen in Tankstellen als „Investitionen in Betriebsstätten des Handels”

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Investitionen einer Mineralölgesellschaft in das bewegliche Anlagevermögen verpachteter Tankstellen im Fördergebiet sind ungeachtet der Erfüllung der Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen von der Investitionszulage ausgeschlossen, weil die selbständigen Pächter in Bezug auf die Tankstellen aufgrund der ihnen überlassenen Verfügungsmacht eigene Betriebsstätten des Handels und keine Vertriebsbetriebsstätten des Investors unterhalten.
  2. Bei der Prüfung, ob eine von der Investitionszulage ausgeschlossene Betriebsstätte des Handels vorliegt, muss an die nach Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts dort aufgenommene Tätigkeit angeknüpft werden. Die von vornherein geplante Verpachtung der die Verbleibensvoraussetzung erfüllenden Tankstellen ist daher zulageschädlich.
 

Normenkette

InvZulG § 2 S. 1, § 3 Sätze 2-3; AO § 12 Sätze 1, 2 Nrn. 5-6; HGB § 84 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1992, 1993, 1994, 1995, 1996

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Investitionen in Tankstellen, ..., als „Investitionen in Betriebsstätten des Handels” nach § 3 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1993 von der Zulage ausgeschlossen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat zu Recht angenommen, dass die Tankstellen wegen der Überlassung an die „Tankstellenbetreiber (kurz: TB)” keine Betriebsstätten der Klägerin sind und deshalb die nach dem 31. Dezember 1992 begonnenen Investitionen nach § 3 Satz 2 InvZulG 1993 von der Zulage ausgeschlossen sind.

I. 1. Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1993 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören (Zugehörigkeitsvoraussetzung), in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben (Verbleibensvoraussetzung) und in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 v.H. privat genutzt werden (Nutzungsvoraussetzung). Solche Investitionen sind nach § 3 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b InvZulG 1993 begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1992 begonnen sowie vor dem 1. Januar 1997 abgeschlossen hat. § 3 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1993 gilt aber u.A. nicht „bei Investitionen in Betriebsstätten des Handels” (§ 3 Satz 2 InvZulG 1993). Betriebsstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient (§ 12 Satz 1 AO). Nach § 12 Satz 2 AO sind „als Betriebsstätten insbesondere anzusehen” u.A. Warenlager (Nr. 5) und Ein- oder Verkaufsstellen (Nr. 6).

2. Nach Ansicht des FG unterhalten die TB in Bezug auf die Tankstellen Betriebsstätten des Handels i.S. des § 3 Satz 2 InvZulG 1993 (s. nachfolgend unter II.). (Vertriebs-)Betriebsstätten der Klägerin liegen nicht vor (s. nachfolgend unter III.) § 3 Satz 2 InvZulG 1993 ist ferner dahin auszulegen, dass die von vornherein geplante Überlassung der Tankstellen an die TB zulagenschädlich ist (s. nachfolgend unter IV.).

II. Zivilrechtlich sind die TB hinsichtlich des Agenturgeschäfts als Handelsvertreter tätig. Steuerrechtlich sind sie selbständige Gewerbetreibende sowie ständige Vertreter (§ 13 AO) der Klägerin. Die TB unterhalten in Bezug auf die Tankstellen eigene Betriebsstätten (§ 12 AO), die dem Wirtschaftszweig Handel zuzurechnen sind.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist ein TB, der gegen Provision ständig damit betraut ist, im Namen und für Rechnung einer Treibstoffgesellschaft deren Treib- und Schmierstoffe von einer Tankstelle aus zu verkaufen, Handelsvertreter i.S. der §§ 84 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB), und zwar auch dann, wenn ihm die Tankstelle von der Gesellschaft verpachtet ist (s. Urteile vom 15. Oktober 1964 VII ZR 150/62, BGHZ 42, 244, 245; vom 9. Juni 1969 VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171, 174; vom 6. August 1997 VIII ZR 150/96, NJW 1998, 66; vom 6. August 1997 VIII ZR 92/96, NJW 1998, 71).

a) Diese Merkmale treffen auch im Streitfall zu. Für den Verkauf der von ihr im Rahmen des Agenturverhältnisses gelieferten Kraftstoffe, Schmierstoffe und sonstigen Agenturwaren zahlte die Klägerin den TB eine umsatzabhängige Vergütung (Provision, § 87 HGB). Die rechtlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Definition des Begriffs des Handelsvertreters treffen auch insoweit zu, als der TB im wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen konnte (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Selbständiger Gewerbetreibender ist der TB insbesondere auch insofern, als ihm die Anzahl, Auswahl, Einstellung, Entlohnung und Entlassung der Beschäftigten überlassen ist, auch wenn bei der Einstellung und Beschäftigung von Hilfspersonen der TB „nach Möglichkeit die Wünsche” der Klägerin zu berücksichtigen hat (§ 1 Abs. 6 TV). Dass eine Mineralölgesellschaft dem TB detaillierte Pflichten hinsichtlich der Warenbevorratu...

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