Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenveranlagung unbeschränkt steuerpflichtiger EU-Bürger und Ermittlung der Welteinkünfte
Leitsatz (redaktionell)
Einem im Inland selbständig tätigen unbeschränkt steuerpflichtigen EU-Ausländer steht bei europarechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Zusammenveranlagung mit seiner in Österreich wohnhaften Ehefrau zu, wenn diese lediglich nach dem Recht ihres Wohnsitzstaates nicht steuerbare bzw. nicht steuerpflichtige Einnahmen (Mutterschafts- und Erziehungsgeld) bezieht.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 3 Nrn. 1d, 67, §§ 11, 26, 49; EGV Art. 43 ff.
Streitjahr(e)
1997
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Z-Stadt. Streitig ist, ob der Kläger und seine in Y-Stadt(Österreich) wohnhafte Ehefrau, die Beigeladene, die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit §§ 1a Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 3 EStG erfüllen.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 1997 in der Bundesrepublik Deutschland Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) sowie aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) in Höhe von insgesamt 138.422 DM. Die Beigeladene war im Streitjahr nicht berufstätig. Sie erhielt jedoch laut der am 23. März 1999 vom Finanzamt (FA) Y-Stadt ausgestellten amtlichen Bescheinigung EU/EWR von der Republik Österreich im Streitjahr ein Wochengeld von 142.586 österreichischen Schillingen (öS) sowie ein Karenzgeld von 47.117 öS (zusammen 189.703 öS) ausgezahlt. Des Weiteren hat sie laut einer Bestätigung des FA Y-Stadt vom 20. April 1999 für diesen Zeitraum für ihre am 26. Januar 1997 geborene Tochter Familienbeihilfe in Höhe von 15.600 öS bezogen.
Für das Streitjahr beantragten Kläger und Beigeladene die Zusammenveranlagung nach § 26 EStG. Der Beklagte (das FA) wies im Rahmen einer Anhörung vor Erlass des Steuerbescheides darauf hin, dass er beabsichtige, den Antrag auf Zusammenveranlagung abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG nicht gegeben seien. Zum einen liege der Anteil der inländischen Einkünfte beider Ehegatten unter 90%. Zum anderen sei auch die absolute Grenze des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG von 24.000 DM überschritten, da die Beigeladene laut der Bescheinigung EU/EWR Lohnersatzleistungen von insgesamt 189.703 öS, umgerechnet 26.994,73 DM, vom österreichischen Staat bezogen habe. Diese Lohnersatzleistungen seien nicht nach § 3 Nr. 1 lit. d EStG steuerfrei, da sie nicht nach den inländischen Bestimmungen gezahlt worden seien. Vielmehr seien diese als wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG bei der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenze des § 1 Abs. 3 EStG einzubeziehen.
Der Kläger legte daraufhin eine „berichtigte” Bescheinigung EU/EWR für das Jahr 1997 vor, auf der das FA Y-Stadt der Beigeladenen mit Datum vom 28. Mai 1999 bescheinigte, im Veranlagungszeitraum 1997 keine Einkünfte im Ansässigkeitsstaat Österreich bezogen zu haben.
Im Rahmen des nachfolgenden Schriftwechsels räumte die Beigeladene ein, dass ihr tatsächlich Lohnersatzleistungen in der besagten Höhe zugeflossen seien, vertrat aber den Standpunkt, dass auf der Bescheinigung EU/EWR nur solche Einkünfte einzutragen seien, die in Österreich der Besteuerung unterlägen. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die betreffenden Lohnersatzleistungen in Österreich - ebenso wie die vergleichbaren Leistungen in Deutschland - steuerfrei seien. Bei der Einführung des § 1 Abs. 3 EStG habe der Gesetzgeber nicht im Sinn gehabt, steuerfreie ausländische Sozialleistungen als steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln.
Das FA folgte dem nicht, sondern führte eine Einzelveranlagung durch. Mit Einkommensteuerbescheid vom 2. November 1999 setzte das FA gegen den Kläger eine Einkommensteuer von 46.046 DM fest. Hiergegen richtete sich sein fristgerechter Einspruch, mit dem er sich darauf berief, dass die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung gegeben seien. Mit der geänderten Bescheinigung EU/EWR vom 28. Mai 1999 hätten sie, die Eheleute, den Beweis geführt, dass ihre gemeinsamen Einkünfte die Einkünftegrenze von 24.000 DM nicht überschritten hätten. Zur weiteren Beweisführung seien sie nicht verpflichtet. Die vom FA vertretene Auslegung des § 1 Abs. 3 EStG, wonach im Ausland bezogene Einnahmen nur dann nach § 3 EStG steuerfrei seien, wenn sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen würden, verstoße gegen höherrangiges EU-Recht. Nach der „Schumacker"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dürfe ein Steuerpflichtiger eines EU-Landes nicht schlechter gestellt werden als ein inländischer Steuerpflichtiger. Eine derartige Ungleichbehandlung trete jedoch ein, wenn man die nach österreichischem Recht steuerfreien Ersatzleistungen für Zwecke des § 1 Abs. 3 EStG nicht auch in analoger Anwendung des § 3 Nr. 1 lit. d EStG als steuerfrei behandeln würde.
Das FA hielt an sein...