Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Zeiten eines berufsbegleitenden neben einer Erwerbstätigkeit unternommenen Studiums bei der Gewährung eines Anspruchs auf Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Die in den Monaten einer Vollzeiterwerbstätigkeit neben einem berufsbegleitenden Zweitstudium erzielten Einkünfte bleiben bei der Berechnung des Jahresgrenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG außer Ansatz.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 2
Streitjahr(e)
2006
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Januar 2006 bis Mai 2006.
Der Kläger ist der Vater der am 3. Januar 1981 geborenen Sabine.
Die Tochter studierte seit dem Jahr 2000 Architektur an der Fachhochschule in Aachen.
Mit Schreiben vom 1. März 2006 teilte der Kläger dem Beklagten mit, nachdem seine Tochter das Studium im Februar 2006 erfolgreich abgeschlossen habe, wolle sie ein Ergänzungs- und Zusatzstudium absolvieren, um so ihre zukünftigen Berufschancen zu verbessern. Sie habe sich zwischenzeitlich eingeschrieben und beginne mit dem Zusatzstudium am 1. April 2006.
Beigefügt waren Erläuterungen zu dem Studium Wirtschafts- und Arbeitsrecht. Zugleich bat der Kläger um Fortzahlung des Kindergeldes.
Auf Nachfrage des Beklagten übersandte der Kläger eine unter dem 25. Januar 2006 ausgestellte Diplomurkunde seiner Tochter sowie ein unter demselben Tag ausgestelltes Zeugnis über die Diplomprüfung.
Unter dem 23. Januar 2007 zeigte das Finanzamt A-Stadt dem Beklagten an, dass die Tochter des Klägers in 2006 Bezüge über dem in § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz – EStG – genannten Grenzbetrag gehabt habe.
Im Anschluss daran legte der Kläger auf Aufforderung u.a. folgendes vor:
die Kopie einer Lohnsteuerbescheinigung, der zu entnehmen ist, dass die Tochter seit dem 15. Mai 2006 einer Tätigkeit nachging und im Jahr 2006 insgesamt 16.424,67 EUR brutto verdient hatte,
eine Bescheinigung der Fernuniversität Hagen, derzufolge die Tochter seit dem 1. April 2006 als Vollzeitstudentin dort für den o.g. Zusatzstudiengang immatrikuliert war und
eine Aufstellung von Werbungskosten der Tochter.
Daraufhin errechnete der Beklagte – trotz Unterstellung aller Werbungskosten als nachgewiesen – eine Überschreitung der Einkommensgrenze.
Mit Bescheid vom 27. März 2007 hob der Beklagte die Festsetzung für Sabine ab dem 1. Januar 2006 auf und forderte zuviel gezahltes Kindergeld in Höhe von 1.386,- EUR zurück. Zur Begründung führte er aus, die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen seien nicht erfüllt, weil Sabine Einkünfte und Bezüge von mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr 2006 gehabt habe.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 2. April 2007 Einspruch ein.
Zur Begründung machte er geltend, da seine Tochter nach der Exmatrikulation an der FH Aachen am 28. Februar 2006 nicht sofort eine Anstellung gefunden habe, habe sie sich zu einem Zusatzstudiengang entschlossen. Ab dem 15. Mai 2006 habe seine Tochter eine Vollzeittätigkeit in einem Architekturbüro angetreten. Den angefangenen Zusatzstudiengang habe sie weiter geführt bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Der angestrebte Abschluss verzögere sich durch ihre Vollzeitbeschäftigung.
Er habe seine Tochter bis einschließlich 31. Mai 2006 unterstützt, von daher müsse ihm bis zu diesem Zeitpunkt das Kindergeld zustehen.
Mit Schreiben vom 10. April 2007 führte der Beklagte aus, die Anspruchsvoraussetzungen für eine grundsätzliche Berücksichtigung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG hätten bei Sabine für das gesamte Kalenderjahr 2006 vorgelegen: Vollzeit-Studium vom 01.01.2006 bis 28.02.2006, Übergangszeit März 2006, Vollzeit-Studium ab 01.04.2006 bis 31.12.2006. Bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge, die dem Kind im Kalenderjahr zur Verfügung stehen, seien auch die Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit zu berücksichtigen. Zugleich wies der Beklagte darauf hin, dass die bislang vorliegenden Unterlagen zu Werbungskosten des Kindes ohne entsprechende Nachweise nicht ausreichten.
Daraufhin erwiderte der Kläger, die „Vollzeiterwerbstätigkeit” seiner Tochter führe dazu, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a bis c EStG nicht mehr vorlägen. Entsprechend sei ein Rückforderungsanspruch für das Jahr 2006 nur in Höhe der ab dem 16. Mai 2006 geleisteten Kindergeldzahlungen begründet.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus, die thematisierte Vollzeiterwerbstätigkeit führe nicht zu einem Ausschluss von der grundsätzlichen Berücksichtigung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG, da der Bundesfinanzhof weiterhin eine typische Unterhaltssituation mit grundsätzlichem Kindergeldanspruch annehme. Dies gelte unabhängig von der Einkommenssituation des Kindes.
Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes – BFH hinsichtlich des Wegfalls des grundsätzlichen Kindergeldanspruchs aufgrund von Vollzeiterwerbstätigkeit beträfen Kinder in einer ...