Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Anspruchs auf Kindergeld in Deutschland im Falle des gleichzeitigen Bestehens eines Anspruchs auf Kindergeld im Ausland
Leitsatz (redaktionell)
- Die Frage der Anwendbarkeit deutschen Kindergeldrechts für im Inland tätige EU-Bürger richtet sich allein nach § 62 EStG.
- Die Regelung über die Anspruchskonkurrenz zwischen kindbezogenen innerstaatlichen Leistungen und vergleichbaren ausländischen Leistungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird im Falle eines im Inland selbständig tätigen und dort nicht rentenversicherungspflichtigen polnischen Staatsbürgers, dessen Kinder im Herkunftsland leben, nicht durch die VO Nr. 1408/71 EG sowie die VO Nr. 574/72 EWG verdrängt.
- Die Vergleichbarkeit mehrerer kindbezogener Leistungen richtet sich nicht nach der rechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
- Es ist denkbar, dass bei ganz geringfügigen ausländischen Leistungen die funktionelle Vergleichbarkeit entfallen könnte.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 63 Abs. 1 S. 3, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AufenthG § 1 Abs. 2 Nr. 1; FreizügigkeitsG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 2; VO Nr. 1408/71 EG Art. 4 Abs. 1 lit. h; VO Nr. 574/72 EWG
Streitjahr(e)
2004, 2005
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und der Vater des am 27. Juli 2005 geborenen Anton. Das Kind lebt bei der Kindesmutter in Polen.
Am 1. Oktober 2004 meldete sich der Kläger mit der Anschrift „B-Str. 6” in C-Stadt an.
Ausweislich einer Gewerbeanmeldung vom 8. Oktober 2004 meldete der Kläger unter der vorgenannten Anschrift einen Betrieb mit den Tätigkeiten Hausmeisterservice (unter Ausschluss erlaubnispflichtiger und handwerklicher Tätigkeiten), Trockenbau, Garten- und Landschaftsbau, Stemmen und Schlitzen, Abbrucharbeiten an.
Am 14. Juli 2006 meldete der Kläger seinen Betrieb zu seinem neuen Wohnsitz „D-Straße 3” in C-Stadt um.
Mit Antrag vom 25. Oktober 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 lehnte der Beklagte den Anspruch unter Hinweis darauf, dass die Formulare „E 401” und „E 411” nicht vorgelegt worden seien, als unbegründet ab.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 2007 Einspruch ein.
Am 1. Februar 2007 gingen bei der Beklagten die in polnischer Sprache gehaltenen vorgenannten Formulare ein.
Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Kläger sodann, dass er weder in einer Versicherung der selbstständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- oder beitragspflichtig noch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. In Polen unterliege er einer Pflichtversicherung für den Fall des Alters.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2007, versandt am 8. Juni 2007, wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte sie aus, der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG für einen steuerrechtlichen Kindergeldanspruch in Deutschland. Für das genannte Kind bestehe jedoch zugleich in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) oder der Schweiz ein Anspruch auf Kindergeld, nämlich in Polen.
Welcher Anspruch vorrangig sei, bestimme sich im Verhältnis zu anderen EU-/EWR-Staaten und der Schweiz nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 (VO) bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 (DVO). Diese Verordnungen gingen als überstaatliche Vorschriften der deutschen Rechtsordnung vor und seien in Deutschland unmittelbar geltendes Recht (vgl. Art. 249 Abs. 2 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft).
Unterliege der Antragsteller nach Art. 13-17 VO ausschließlich ausländischen Rechtsvorschriften, so bestehe kein Anspruch auf deutsches Kindergeld.
Der Kläger übe zwar in Deutschland eine selbstständige Tätigkeit gemäß Art. 13 Abs. 2 b VO aus, sei jedoch nicht in dem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbstständigen oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig (s. Anhang I Teil I Buchstabe C VO). Vielmehr bestehe eine Pflichtversicherung in Polen. Damit unterliege er den Rechtsvorschriften Polens, ein Anspruch auf deutsches Kindergeld scheide aus.
Mit der am 11. Juli 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Ergänzend macht der Kläger geltend, er habe selbstverständlich auch einen Anspruch auf Kindergeld in Polen. Dieser Anspruch sei jedoch deutlich geringer und von dem deutschen Kindergeldanspruch abzuziehen. Die Differenz sei dann in jedem Fall zu bewilligen.
Allein der Umstand, dass er in Deutschland nicht gesetzlich rentenversicherungspflichtig sei und auch keinem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbstständigen angehöre, führe nicht dazu, dass ein Anspruch auf Kindergeld ausscheide. Er sei in Deutschland angemeldet, er habe also seinen Lebensmittelpun...