Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung (Gesellschaftsteuer)
Nachgehend
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 4.8.1994 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin für Kapitalverkehrsteuern der XY-GmbH & Co. KG (Gesellschaft).
Die Klägerin war alleinige Kommanditistin der Gesellschaft. Zum 31.12.1988 übernahm sie deren Verlustvortrag in Höhe von 790.598,21 DM durch Umbuchung vom Darlehenskonto. In dieser Übernahme sah der Beklagte wegen angeblich in dem Verlustvortrag vorhandener stiller Reserven in Höhe 228.103,00 DM einen kapitalverkehrsteuerpflichtigen Vorgang gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 b Kapitalverkehrsteuergesetz (KVStG) und setzte mit Bescheid vom 2.11.1990 gegen die Gesellschaft Kapitalverkehrsteuer in Höhe von 2.281,00 DM (1 v.H. der Bemessungsgrundlage) fest.
Gegen diesen Bescheid legte die Gesellschaft am 14.11.1990 Einspruch ein, verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Am 14.12.1990 gewährte der Beklagte Aussetzung der Vollziehung wegen eines beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Musterverfahrens. Die Gesellschaft wurde am x.xx.1992 im Handelsregister gelöscht. Das Einspruchsverfahren wurde seit diesem Zeitpunkt nicht mehr betrieben.
Mit Haftungsbescheid vom 4.8.1994 nahm der Beklagte die Klägerin in Höhe der gegen die Gesellschaft festgesetzten Kapitalverkehrsteuer als Haftungsschuldnerin in Anspruch. Den gegen diesen Bescheid am 18.8.1994 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 2.2.1995 als unbegründet zurück.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 13.2.1995. Zur Begründung trägt sie vor: Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Haftungsbescheides sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen, so daß der Haftungsbescheid nicht mehr hätte erlassen werden dürfen. Im übrigen könne sie eine Haftungsschuld nur insoweit treffen, als ein Steuertatbestand verwirklicht worden sei. Dies sei jedoch in vollem Umfang streitig.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid vom 4.8.1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.2.1995 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor: Hinsichtlich der Festsetzungsverjährung für den Haftungsanspruch sei die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) zu beachten, denn sowohl die Gesellschaft als auch die Klägerin seien gem. § 4 Abs. 1 Kapitalverkehrsteuer- Durchführungsverordnung (KVStDV) verpflichtet gewesen, den kapitalverkehrsteuerpflichtigen Vorgang anzuzeigen. Im übrigen sei ein rechts- oder bestandskräftig festgesetzter Steueranspruch nicht Voraussetzung für den Erlaß eines Haftungsbescheides. Soweit die Klägerin behaupte, es seien keine stillen Reserven vorhanden gewesen, obliege es ihr, diese Behauptung zu substantiieren.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Haftungsbescheid vom 4.8.1994 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Für die Entscheidung des Rechtsstreites kann es dahinstehen, ob der Beklagte wegen der Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten zu Recht Kapitalverkehrsteuer gegen die Gesellschaft festgesetzt hat. Zwar haftet die Klägerin bejahendenfalls als Leistende nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 KVStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 4 b KVStG für diese Steuerschuld. Dieser Haftungsanspruch war jedoch zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides am 4.8.1994 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist erloschen (§§ 47, 191 Abs. 3 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO) und hätte nicht mehr gegen die Klägerin festgesetzt werden dürfen.
Die Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch begann am 31.12.1988, denn mit der Übernahme des Verlustvortrages in der Bilanz auf den 31.12.1988 wurde der Tatbestand verwirklicht, an den §§ 10 Abs. 2 Nr. 2, 2 Abs. 1 Nr. 4 b KVStG die Haftungspflicht knüpfen (vgl. § 191 Abs. 3 Satz 3 AO).
Dem steht nicht entgegen, daß die Gesellschaft die Umbuchungsvorgänge dem Beklagten gegenüber nicht angezeigt hat. Zwar war die Gesellschaft als Steuerschuldnerin (§ 10 Abs. 1 KVStG) gem. § 4 Abs. 1 Kapitalverkehrsteuerdurchführungsverordnung (KVStDV) verpflichtet, Rechtsvorgänge im Sinne des Kapitalverkehrsteuerrechts der Finanzbehörde anzuzeigen. Die Verletzung dieser Verpflichtung bewirkt jedoch nur eine Anlaufhemmung für die Steuerfestsetzung (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO in Verbindung mit § 4 Abs. 1 KVStDV), mit der Folge, daß die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung nicht bereits am 31.12.1988, sondern erst im Jahre 1990, als der Beklagte von den Rechtsvorgängen Kenntnis erlangte, zu laufen begann. Auf Beginn oder Ablauf der für den Haftungsanspruch geltenden Festsetzungsverjährung hat die Verletzung der Anzeigepflicht jedoch keine Auswirkung. Richti...