vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines polnischen Staatsbürgers: Entsendung durch polnischen Arbeitgeber in das Inland für weniger als 12 Monate
Leitsatz (redaktionell)
- Ein für weniger als 12 Monate von seinem polnischen Arbeitgeber in das Inland entsandter und dort unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger polnischer Staatsbürger, der ausschließlich in Polen sozialversicherungspflichtig ist, unterliegt gemäß Art. 14 Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit und damit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über das Kindergeld.
- Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG auch nicht subsidiär anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
Normenkette
EStG § 62; VO 1408/71/EWG Art. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Nr. 1 Buchst. a; VO 1408/71/EWG Anhang I Teil I E
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob der Kläger für seine Kinder (geboren: 05.07.1994, 28.08.1996 und 01.02.2002) Anspruch auf Kindergeld hat.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und den 3 Kindern in Polen.
Der Kläger war nach einer Bescheinigung einer deutschen GmbH, in folgenden Zeiträumen für diese Firma in Deutschland tätig:
16.05.2006 - 31.05.2006
03.07.2006 - 31.12.2006
01.01.2007 - 01.02.2007
06.04.2007 - 01.06.2007.
Nach dieser Bescheinigung bestand für den Kläger kein Versicherungsverhältnis zur „Bundesanstalt für Arbeit, weil Sozialversicherungspflicht in Polen besteht”.
Laut Lohnsteuerbescheinigungen der GmbH bezog der Kläger folgende Bruttoarbeitslöhne:
01.01. 2007 - 01.02.2007: 2.039,42 Euro
06.04.2007 - 01.06.2007: 2.040,15 Euro.
Davon wurden lediglich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten, nicht jedoch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.
Die Lohnsteuer und der Solidaritätsbeitrag wurden an das Finanzamt abgeführt. Dort wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.
Unter dem 16.01.2008 beantragte der Kläger Kindergeld. Er gab an, in Polen kein Kindergeld beantragt oder erhalten zu haben; in Deutschland habe für seine Erwerbstätigkeit keine Sozialversicherungspflicht bestanden. Als Inhaber des Kontos, auf das das Kindergeld überwiesen werden sollte, benannte er einen Dritten, der unter der Firma X geschäftsmäßig Anträge auf Kindergeld für polnische Arbeitnehmer stellte.
Mit Bescheid vom 06.02.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da er in Polen sozialversichert sei und damit in Deutschland kein Anspruch auf Kindergeld bestehe.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06.03.2008 Einspruch ein und wies darauf hin, dass er in den Jahren 2006 und 2007 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei und daher die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 EStG erfülle.
In der Einspruchsentscheidung vom 13.03.2008 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück, weil er entsandter Arbeitnehmer eines polnischen Arbeitsgebers gewesen sei und ausschließlich der polnischen Sozialversicherung unterlegen habe.
Am 14.04.2008 hat der Kläger Klage erhoben und Folgendes vorgetragen:
Er sei von Juli 2006 bis Mai 2007 durchgängig in Deutschland als Angestellter tätig gewesen.
Ob ihm ein Anspruch auf Kindergeld zustehe, richte sich allein nach den in den §§ 62 ff. EStG getroffenen Regelungen und nicht nach der VO (EWG) 1408/71 oder der VO (EWG) 574/72 des Rates über die Durchführung der VO (EWG) 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie ihrer Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern vom 21. März 1972.
Unabhängig davon, ob Beschäftigungsland im Streitfall Deutschland oder Polen sei, stehe ihm ein Anspruch auf Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu, weil er während seiner Tätigkeit in Deutschland hier unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei und es dem Wohnsitzstaat nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 20. Mai 2008 in der Rechtssache C-352/06 (Bosmann, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2008, 877) unbenommen sei, Familienleistungen in Anknüpfung an den Wohnsitz zu gewähren, auch wenn Beschäftigungsland i. S. der VO (EWG) 1408/71 ein anderer Staat sei. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG schließe den Anspruch nicht aus, weil bei Ansprüchen auf Familienleistungen in mehreren Mitgliedstaaten der EU nur die Kollisionsregelungen der Art. 76 VO (EWG) 1408/71 und Art. 10 VO (EWG) 574/72 anwendbar seien.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2008 und der Einspruchsentscheid...