vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungen: Leistungen eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses – Differenzierung zwischen Leistungen in und außerhalb von Krankenhäusern durch § 4 Nr. 14 UStG i.d.F. des JStG 2009
Leitsatz (redaktionell)
- Die Herausnahme der Heilbehandlungsleistungen eines von einem Arzt betriebenen Krankenhauses aus dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG i.d.F. des JStG 2009 ist mit dem Unionsrecht vereinbar.
- Die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen einer nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 aa) UStG 2009 i.V.m. § 108 SGB V zugelassenen Privatklinik, die überwiegend nicht medizinisch indizierte Schönheitsoperationen ausführt, kann nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL gestützt werden, da die von ihr erbrachten Leistungen mit denjenigen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehender Krankenhäuser nicht vergleichbar sind.
Normenkette
UStG i.d.F. des JStG 2009 § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1; UStG i.d.F. des JStG 2009 § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. Aa; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, c
Streitjahr(e)
2009, 2010
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2009 und 2010 eine Fachklinik für plastische und kosmetische Chirurgie mit Standorten in Z und Y. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war die Ärztin für Chirurgie Dr. B. Die in der Klinik - ambulant und stationär - durchgeführten ärztlichen Leistungen, die sowohl medizinisch indizierte Heilbehandlungen als auch Schönheitsoperationen ohne medizinische Indikation umfassen, wurden in den Streitjahren überwiegend durch Frau Dr. B ausgeführt; daneben war in den Streitjahren auch ihr Sohn Dr. C als selbständiger Arzt für die Klägerin tätig. Ferner nahm die Klägerin in den Streitjahren in geringem Umfang Leistungen von zwei weiteren selbständig tätigen Ärzten (Dr. D und Dr. E) in Anspruch.
Gegenüber den behandelten Patienten wurden sämtliche in der Klinik durchgeführten ärztlichen Leistungen seit 2007 von der Klägerin geschuldet und von ihr in Rechnung gestellt. Demgegenüber wurden die von Frau Dr. B ausgeführten ärztlichen Leistungen bis 2006 unmittelbar von Frau Dr. B gegenüber den Patienten erbracht und abgerechnet. Hinsichtlich der von Frau Dr. B in den Jahren 2002 bis 2006 ausgeführten ärztlichen Leistungen kam es im Jahr 2008 zu einer tatsächlichen Verständigung dahingehend, dass 40 % ihrer Umsätze auf nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Heilbehandlungen und 60 % ihrer Umsätze auf steuerpflichtige Schönheitsoperationen entfielen. Für die ursprünglich im vorliegenden Verfahren ebenfalls streitigen Veranlagungszeiträume 2007 und 2008 haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2017 ebenfalls eine Verständigung getroffen, wegen deren Inhalts auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen wird.
In ihren Umsatzsteuererklärungen 2009 und 2010 erklärte die Klägerin folgende Umsätze:
2009 |
|
steuerfrei: |
175.690.- € |
stpfl. 19 %: |
222.649.- € |
2010 |
|
steuerfrei: |
128.336.- € |
stpfl. 7%: |
23.163.- € |
stpfl. 19 %: |
145.044.- € |
Im Rahmen einer die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2009 betreffenden Betriebsprüfung vertrat der Prüfer u. a. die Auffassung, die von der Klägerin in 2009 ausgeführten Umsätze seien in vollem Umfang steuerpflichtig.
Ab 2009 unterliege ein privates Krankenhaus nur dann der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG, wenn es nach § 108 SGB V zugelassen sei; eine derartige Zulassung liege jedoch nicht vor.
Unabhängig davon lasse sich anhand der Ausgangsrechnungen der Klägerin nicht erkennen, welche Operationen medizinisch indiziert gewesen seien. Die Klägerin habe unter Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht lediglich eine selbst erstellte, anonymisierte Diagnoseliste nachgereicht, die jedoch keine Zuordnung zum konkreten Operationssachverhalt erlaube. Eine Überprüfung der medizinischen Indikation und des therapeutischen Ziels sei daher nicht möglich, was zum Nachteil der insoweit feststellungsbelasteten Klägerin gereiche. Hinzu komme, dass die Klägerin in Einzelfällen einheitliche Operationen umsatzsteuerlich unterschiedlich behandelt habe, indem sie Anzahlungen steuerfrei, die Schlusszahlungen aber umsatzsteuerpflichtig behandelt habe (Tz. 2.4 des BP-Berichtes vom 09.01.2012).
Zudem seien die Umsätze aufgrund formeller und materieller Buchführungsmängel im Schätzungswege um Sicherheitszuschläge zu erhöhen (4.000.- € in 2009). Die Ausgangsrechnungen der Klägerin enthielten generell keine Rechnungsnummer. Zudem fehle es trotz erheblicher Barumsätze an einer ordnungsgemäßen Kassenführung (Tz. 2.2 und 2.12. des BP-Berichtes vom 09.01.2012).
Der Beklagte folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ am 01.03.2012 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 2009, mit dem er die Umsatzsteuer auf 52.228,90 € festsetzte. Zudem erließ er am 09.03.2012 einen von der Umsatzerklärung 2010 abweichenden Umsatzsteuerbesch...