Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von Scheinrenditen aus Schneeballsystem: Zuordnung zu den Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen – Zufluss durch Novation – Feststellungslast für Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Schuldners
Leitsatz (redaktionell)
- Scheinrenditen aus einer auf einem betrügerischen Schneeballsystem basierenden Kapitalanlage, die weder als Aktienbeteiligung noch als stille Beteiligung oder gewerbliche Mitunternehmerschaft ausgestaltet ist, sondern die Merkmale eines verzinslichen Darlehensvertrags erfüllt, sind den Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen zuzuordnen.
- Wiederangelegte Scheinrenditen aus Schneeballsystemen fließen dem Anleger durch die Vereinbarung einer Novation zu, wenn der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig ist.
- Zweifel an der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Schuldners, etwa aufgrund der Häufung von Verzögerungen fälliger Auszahlungen, gehen zu Lasten des FA, weil es sich insoweit um ein steuerbegründendes Sachverhaltselement handelt.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 4, 7; HGB § 230; BGB § 488 Abs. 1; DBA USA Art. 11 Abs. 1
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Versteuerung von Scheinrenditen aus einer Kapitalanlage im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems in den Jahren 2008, 2010 und 2011.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihren beim Beklagten, dem Finanzamt Z., eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärten sie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Zinsen, Dividenden und anderen Erträgen sowie ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen (2008), Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen sowie solche, die diesem nicht unterlegen hatten (2010, 2011).
Die Einkommensteuerveranlagungen erfolgten mit Bescheiden vom 15.12.2009, zuletzt aus anderen Gründen geändert durch Bescheid vom 21.06.2012 (2008); mit Bescheid für 2010 zuletzt geändert mit Bescheid vom 04.01.2013 (2010) und mit Bescheid vom 16.11.2012 (2011) im Wesentlichen erklärungsgemäß. Die Einkommensteuerfestsetzungen waren nach § 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufig.
Die Kläger hatten in den Jahren ab 2007 insgesamt…EUR bei einer G. und nachfolgend bei einer X. angelegt. Angaben zu dem Investment enthielten die Einkommensteuererklärungen der Kläger nicht.
Im Rahmen eines gegen die Verantwortlichen eines Kapitalanlagebetruges geführten Strafverfahrens, aufgrunddessen die Verantwortlichen zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, trafen Strafverfolgungs- und Finanzbehörden sowie das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 31.07.2014 - 014 KLs - 130 Js 44/09 - 10/12, vorliegend in Abschrift vom Original in der elektronischen Beiakte (zitiert unter Angabe der Seitenzahl), in einer neutralisierten Fassung der NRW-Rechtsrechtsprechungsdatenbank justiz-online (zitiert unter Angabe der Rn) sowie in einer weiteren neutralisierten Fasunng der online-Datenbank juris (zitiert unter Angabe der Rn sowie der Nennung juris); nachfolgend BGH-Urteil vom 10.12.2015 - 3 StR 163/15, juris) folgende Feststellungen zu den Gesellschaften G. und X.:
Die -G.- wurde im Jahre 2002 nach dem Recht des US-Bundesstaates W. in A. als Aktiengesellschaft (corporation) von Y. gegründet. Y. sollte nach außen als Präsident der Gesellschaft auftreten, dies sollte jedoch als Strohmann für U. geschehen. Y. war zugleich Direktor, Sekretär und Schatzmeister. Hauptaufgabe des Unternehmens sollte die Verwaltung des Vermögens der Gesellschaft sein (LG Düsseldorf S. 29, 30). Das Stammkapital betrug 2004 laut Handelsregister…US-$, aufgeteilt in 100.000 Aktien zu…US-$ und 200.000 Aktien zu…US-$. Das in W. vorgeschriebene Aktienregister (stock-ledger) wurde nicht geführt, Aktien wurden tatsächlich nicht an Anleger ausgegeben, vielmehr war der „Director“ bzw. „President“ Y. nach eigenen Angaben einziger Aktionär. Auch erfolgten nach 2004 keine Kapitalerhöhungen, obgleich einem Stammkapital von…US $ eine weitaus höhere Vermögensbeteiligung der Anleger gegenüberstand, welche sich auf mehr als…EUR belief. Die G. ist im Handelsregister des US-Staates W. registriert, wobei seit dem 01.10.2012 der Vermerk „Default“ eingetragen ist, was „in Verzug“ bedeutet und beinhaltet, dass geschäftliche Unterlagen nicht eingereicht wurden, und dass die Erlaubnis, geschäftlich tätig zu sein, entzogen wurde. Im Handelsregister des US-Staates O. ist für die G. seit dem 27.10.2010 der Status „inactive“ eingetragen, was bedeutet, dass die G. im Handelsregister gelöscht ist.
Die G. erstellte keine Bilanzen und gab weder in den USA noch in einem anderen Staat Steuererklärungen ab.
Im Geschäftsverkehr mit den Klägern und den weiteren Anlegern (einschließlich der Formulare der Beitrittserklärungen) trat die G. unter der Anschrift E.-straße, O., unter Angabe einer US-amerikanischen Telefon- und Telefaxnummer auf. Tatsächlich gab es weder unter dieser Postadresse noch unter einer weiteren - allerdings nicht ersichtlich...