Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bestandskräftigen Bescheids wegen arglistiger Täuschung – Ermessensausübung bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit – Berufung auf Strohmanneigenschaft oder verdecktes Treuhandverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
- Die Änderung eines durch arglistige Täuschung erwirkten bestandskräftigen Bescheids kann ohne Ermessensfehler abgelehnt werden, wenn der Steuerpflichtige den Bescheid hat unanfechtbar werden lassen, obwohl ihm dessen Fehlerhaftigkeit bekannt war, oder ihn selbst ein grobes Verschulden an der fehlerhaften Festsetzung trifft.
- Ein unanfechtbar gewordener Einkommensteuerbescheid, mit dem der Zufluss einer verdeckten Gewinnausschüttung bei dem Alleingesellschafter einer GmbH erfasst wird, kann daher nicht aufgrund der Berufung auf dessen bloße Strohmanneigenschaft oder ein verdecktes Treuhandverhältnis wegen arglistiger Täuschung des FA über die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse geändert werden, wenn der Gesellschafter bei der notariellen Gründung der GmbH bewusst wahrheitswidrig erklärt hat, auf eigene Rechnung zu handeln.
Normenkette
AO § 39 Abs. 1, 2 Nr. 1 S. 2, § 125 Abs. 1, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Abs. 5 S. 1; FGO § 102 Satz
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit, hilfsweise die Änderungsmöglichkeit eines Bescheids für 2019 über Einkommensteuer.
Der Kläger gründete mit Vertrag vom 00.00.0000 auf eigene Rechnung die K. GmbH (im Folgenden GmbH) mit Sitz in J.. Zum Geschäftsführer bestellte er R. T..
Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 00.00.0000 war Gegenstand des Unternehmens der Betrieb mehrerer Taxis, Mietwagen sowie die Personenbeförderung.
Nach der am 00.00.0000 beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste war der Kläger alleiniger Gesellschafter der GmbH mit einem einzigen Anteil in Höhe von 25.000 €.
Die Gesellschaft wurde am 00.00.0000 in das Handelsregister B des Amtsgerichts J. eingetragen (HRB N01). Mit Vertrag vom 00.00.0000 erwarb die GmbH von der I. GmbH unter anderem verschiedene Taxikonzessionen.
In dem am 10.09.2018 vom damaligen Geschäftsführer R. T. eingereichten Fragenbogen zur steuerlichen Erfassung wurde der Kläger als alleiniger Gesellschafter der GmbH angegeben. Seit dem 08.03.2019 war der Kläger bei der GmbH als Taxifahrer angestellt.
Mit Vertrag vom 00.00.0000 vor dem Notar N. (N02 der Urkundenrolle für 2020), auf den Bezug genommen wird, sollten die Anteile des Klägers an der GmbH an neun verschiedene Erwerber veräußert werden. Der Kläger wurde dabei von F. O. als Vertreter ohne Vertretungsmacht vertreten. Gleichzeitig wurde der Gesellschaftsanteil in zehn Gesellschaftsanteile geteilt.
Nach der am 00.00.0000 beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste, auf die Bezug genommen wird, war der Kläger weiterhin alleiniger Gesellschafter der GmbH.
Am 00.00.0000 gab der Kläger gegenüber dem Notar N. eine „Klarstellende Erklärung“ ab, wonach der bisher schwebend unwirksame Vertrag endgültig unwirksam war und nicht weiter vollzogen werden sollte. Die Genehmigung des Vertrags vom 00.00.0000 wurde endgültig verweigert.
Mit Vertrag vom 00.00.0000 (N03 der Urkundenrolle für 2021) erwarb X. L. sämtliche Gesellschaftsanteile vom Kläger.
Nach der am 00.00.0000 beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste, auf die Bezug genommen wird, war X. L. alleiniger Inhaber aller Gesellschaftsanteile.
Alleiniger Geschäftsführer bis zum 00.00.0000 war R. T.. Nachfolgegeschäftsführer seit diesem Tage war X. L..
Auf Grund der Prüfungsanordnung vom 15.12.2020 führte das Finanzamt J. eine Außenprüfung bei der GmbH für die Jahre 2017 bis 2019 durch.
Der Steuerberater der GmbH, Herr Y., teilte der Betriebsprüferin am 25.06.2021 telefonisch mit, dass es kurzfristig einen Gesellschafterwechsel gegeben habe. Der neue Gesellschafter, X. L., wolle R. T. unterstützen.
Auf Grund verschiedener materieller Mängel der Buchführung schlossen die GmbH, vertreten durch X. L., und das Finanzamt J. am 30.08.2021 eine tatsächliche Verständigung, auf die Bezug genommen wird, unter anderem mit folgenden Inhalt:
Für die Kalkulation werden unter Zugrundelegung der ermittelten Jahresfahrleistung iHv insgesamt 690.100 km folgende Parameter berücksichtigt:
Abzug iHv 3 % für sonstige Fahrten
Abzug iHv 42.075 km für Standplatzfahrten
Besetztquote iHv 49 %,
durchschnittliche Tourenlänge iHv 7 km
Angaben zu den Beteiligungsverhältnissen an der GmbH erfolgten hierin nicht. Ebenso wurden der Verbleib des Geldes und ein etwaiger Zufluss bei dem Gesellschafter nicht erörtert.
Im Betriebsprüfungsbericht vom 31.08.2021 wurde der Kläger als alleiniger Gesellschafter im Prüfungszeitraum benannt.
Tz. 2.1 des BP-Berichts lautet auszugsweise:
„Hinsichtlich der Höhe der Hinzuschätzung ist die materielle Richtigkeit der Buchführung zu beurteilen, siehe § 158 AO:
Die Nachkalkulation der Umsätze hat zu solch erheblichen Differenzen geführt, dass die Buchführung auch materiell nicht zugrunde gelegt werden kann...