Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines EU-Bürgers bei Entsendung nicht nur zur vorübergehenden Dienstleistung im Inland
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff der vorübergehenden Entsendung i. S. des § 62 Abs. 2 Satz 2 EStG ist bei EU-Bürgern i. S. der Regelungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 i.d.F. Nr. 2000/83 vom 2. Juni 1983 auszulegen. Eine „vorübergehende Entsendung” ist danach auf eine Höchstdauer von zwei Jahren beschränkt (vgl. Urteil des Hessischen FG vom 28. April 1999 2 K 6347/97, EFG 1999, 785).
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2 S. 2; EWGV 1408/71 Art. 14 Nrn. 1a, 1b
Tenor
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom Oktober 1997 und der Einspruchsentscheidung vom Januar 1998 wird der Beklagte verpflichtet, für die beiden Kinder des Klägers für die Zeit vom Januar 1997 bis März 1999 Kindergeld festzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, für den Kläger Kindergeld festzusetzen.
Der Kläger ist Staatsangehöriger und als Angestellter bei der Agrarbank von „X.-Land”, bei der es sich um eine Aktiengesellschaft mit Sitz in „R.” handelt, beschäftigt. Im Jahre 1994 versetzte die Bank den Kläger nach „W.”, wo sich zunächst eine Repräsentanz der Bank befand, die 1998 in eine Zweigstelle umgewandelt wurde. Der Kläger lebte seit seiner Versetzung mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern „E.” (geboren am 11. Mai 1989) und „T.” (geboren am 20. September 1994) in „W.”. Anfang April 1999 kehrte er mit seiner Familie nach „X.-Land” zurück.
Im Juli 1997 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Kindergeld. In dem Antrag gab er an, in „X.-Land” sozialversichert zu sein. Der Antrag des Klägers blieb ohne Erfolg. Der Beklagte begründete seine ablehnende Entscheidung damit, der Kläger sei als Beamter für die Agrarbank von „X.-Land” in Deutschland tätig. Gemäß der EG-Verordnung Nr. 1408/71 bestehe deshalb kein Anspruch auf Kindergeld.
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, es treffe nicht zu, dass er als Beamter für die Agrarbank tätig sei. Er arbeite dort vielmehr als Angestellter.
Mit Bescheid vom 8. Januar 1998 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zur Begründung führte er an, aufgrund der Tatsache, dass der Kläger in Griechenland sozialversichert sei, bestehe kein Anspruch auf Kindergeld.
Gegen die Einspruchsentscheidung hat der Kläger am Januar 1998 zunächst beim Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Beschluß vom 4. März 1998 an das Finanzgericht Düsseldorf verwiesen. Der Kläger macht zur Klagebegründung geltend: Die Frage der ausschließlichen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen in „X.-Land” stehe nicht im Zusammenhang mit dem Recht auf Bezug von Kindergeld in Deutschland. Er sei von seiner Arbeitgeberin nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV, Nr. 4 der Aus- und Einstrahlungsrichtlinien sowie Art. 14 Abs. 1 a der Verordnung (EWG) 1408/71 zeitlich begrenzt entsandt.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom Oktober 1997 und die Einspruchsentscheidung vom Januar 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für seine beiden Kinder Kindergeld für die Zeit von Januar 1997 bis März 1999 festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend: Es sei von einem Entsendungsfall im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz – EStG – auszugehen, da die Arbeitgeberin des Klägers für diesen im Inland keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland in Bonn mitgeteilt, dass dort keine Unterlagen vorlägen, die darauf hindeuteten, dass der Kläger im Wege einer Vereinbarung nach Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit befreit worden sei.
Die Arbeitgeberin des Klägers hat auf Anfrage des Gerichts erklärt, dass ihre von „X.-Land” nach Deutschland versetzten Mitarbeiter für die Dauer ihres Einsatzes in Deutschland von der Beitragspflicht zur Sozialversicherung befreit seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte ist unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom Oktober 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Januar 1998 verpflichtet, Kindergeld für die beiden Kinder des Klägers in der Zeit von Januar 1997 bis März 1999 festzusetzen.
Ein Ausländer mit Wohnsitz im Inland und in seinem Haushalt lebenden Kindern hat Anspruch auf Kindergeld, wenn er in Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist (§ 62 Abs. 2 Satz 1 EStG) und als Arbeitnehmer nicht nur zu vorübergehenden Dienstleistung in das Inland entsandt ist (§ 62 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Der Kläger und seine beiden Kinder hatten im streitigen Zeitraum ihren Wohnsitz im Inland. Auch ist davon auszugehen, dass der seit 1994 im Inland lebende und arbeitende Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, auf deren Erteilung er als EU-Bürger...