vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Regelmäßige Arbeitsstätte bei Kommissaranwärtern
Leitsatz (redaktionell)
Ist im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses ein qualitativer Schwerpunkt der Tätigkeit nicht feststellbar und fehlt es darum an einem ortsgebundenen Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit, liegt keine regelmäßige Arbeitsstätte vor. Fahrten zur Arbeitsstelle sind mit den tatsächlichen Kosten anzusetzen.
Normenkette
EStG 2009 § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, S. 2, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
2011
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Kindergeld für ihre am ….1988 geborene Tochter A für das Jahr 2011.
A wurde am 01.09.2009 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Kommissaranwärterin (Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II/gehobener Polizeivollzugsdienst) beim Polizeipräsidium B-Stadt eingestellt und erhielt in der Folgezeit Anwärterbezüge. Nach einer Bescheinigung des Polizeipräsidiums B vom 17.08.2009 war A während des dreijährigen Vorbereitungsdienstes gleichzeitig Studierende an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung – FHöV – B-Stadt (Stammausbildungsplatz).
Gemäß § 10 Abs. 1 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den Laufbahnabschnitt II (Bachelor) der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.08.2008 – VAPPol II Bachelor – gliedert sich die Ausbildung in die fachwissenschaftliche Studienzeit an der FHöV, die fachpraktische Ausbildungszeit beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei – LAFP – (Training) und die fachpraktische Ausbildungszeit bei den Kreispolizeibehörden (Praxis).
Nach § 5 VAPPol II Bachelor werden die zur Ausbildung zugelassenen Personen bei den Einstellungsbehörden unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zu Kommissaranwärterinnen/-anwärtern ernannt. Einstellungs- und Ausbildungsbehörden sind die Kreispolizeibehörden (vgl. Runderlass des Innenministeriums vom 15.06.2009, Fachpraktische Ausbildungszeit im Rahmen der Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes, Ministerialblatt NRW 2009, S. 271, Tz. 1.1). Für die fachpraktische Ausbildungszeit weisen die Einstellungsbehörden die Studierenden dem LAFP und den Kreispolizeibehörden zu, sofern die fachpraktische Ausbildungszeit nicht bei der Einstellungsbehörde durchgeführt wird (§ 10 Abs. 3 Satz 2 VAPPol Bachelor).
In dem Studium an der FHöV NRW werden die Anwärter vor allem in den Fächern Einsatzlehre, Kriminalistik/Kriminaltechik, Kriminologie, Verkehrslehre/Verkehrsrecht, Staatsrecht/Eingriffsrecht, Strafrecht, Öffentliches Dienstrecht, Sozial- und Politikwissenschaften, Führungslehre, Soziologie/Psychologie sowie Ethik unterrichtet. Bei der FHöV handelt es sich um eine Einrichtung im Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen.
Während der praktischen Trainingsmodule im LAFP lernen die Anwärter u.a. den Umgang mit der Dienstwaffe (Schießen), die Verkehrsunfallaufnahme und den Einsatz in geschlossenen Einheiten (Einsatzhundertschaft).
Im Praktikum bei der Einstellungsbehörde haben die Anwärter die Möglichkeit, das bisher Erlernte im Rahmen des Streifendienstes anzuwenden.
Nach dem Modulverteilungsplan ab dem Einstellungsjahrgang 2009 (Stand 15.06.2010) verbringen die Anwärter während der dreijährigen Ausbildung – ohne Urlaubszeiten – 80 Wochen an der FHöV, 36 Wochen im Praktikum und 34 Wochen im Training. Im 2./3. Ausbildungsjahr, in dem A sich im Streitjahr befand, verteilten sich die Ausbildungszeiten wie folgt:
Zeitraum |
Ausbildungsstelle |
01. Januar – 04. Januar |
Urlaub |
05. Januar – 18. Januar |
Training, LAFP NRW |
19. Januar – 01. März |
Praktikum, Ausbildungsbehörde |
02. März – 05. Juli |
Theorie, FHöV NRW |
06. Juli – 05. Oktober |
Training, LAFP NRW inklusive 3 Wochen Urlaub |
06. Oktober – 23. November |
Praktikum, Ausbildungsbehörde |
24. November – 21. Dezember |
Theorie, FHöV |
22. Dezember – 31. Dezember |
Urlaub |
Die Ausbildung schließt mit der Bachelorprüfung ab. Diese setzt sich gemäß § 14 Abs. 1, 3 VAPPol Bachelor aus Modulprüfungen während des Studiums (80%) und einer Bachelorarbeit inklusive Kolloquium (20%) zusammen. Die Modulprüfungen wiederum schließen einzelne Studien- bzw. Lerneinheiten ab und können aus einer oder mehreren Prüfungen bestehen (§ 10 Abs. 2 VAPPol Bachelor). Das Prüfungsamt ist bei der FHöV angesiedelt; diesem werden die Ergebnisse der jeweiligen Prüfungsleistungen durch das LAFP und die Ausbildungsbehörden mitgeteilt werden (Runderlass des Innenministeriums vom 15.06.2009, Fachpraktische Ausbildungszeit im Rahmen der Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes, Ministerialblatt NRW 2009, S. 271, Tz. 5.1)
Unter dem 28.02.2013 beantragte die Klägerin für A Kindergeld für das Jahr 2011. In der Erklärung zu den Verhältnissen des Kindes gab sie an, dass A in ihrem Haushalt lebe und ...