vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte – Rückwirkung der Entstrickungsklausel des § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG i.d.F. des JStG 2010. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: I R 5/24)
Leitsatz (redaktionell)
- Die Überführung von Wirtschaftsgütern einer inländischen KG in eine niederländische Betriebsstätte des inländischen Stammhauses führt zu einer Entnahme der aufgedeckten stillen Reserven i.S. der Entstrickungsklausel des § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG i.d.F. des JStG 2010, die im Billigkeitswege durch die gewinnerhöhende Auflösung eines korrespondierenden bilanziellen Ausgleichspostens über 10 Jahre der Besteuerung zu unterwerfen ist.
- § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 in Verbindung mit der in Tz. 2.6.1 des BMF-Schreibens vom 24. Dezember 1999 enthaltenen Billigkeitsregelung sind mit der in Art. 49 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit vereinbar (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Mai 2015 C-657/13, DStR 2015, 1170).
- Die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 auf im Jahr 2005 getätigte Entnahmen ist nicht wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig, da mit dem Entstrickungstatbestand nur eine frühere höchstrichterliche Rechtsprechung nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis festgeschrieben worden ist.
Normenkette
EStG i.d.F. des JStG 2010 § 4 Abs. 1 S. 1; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 4 Abs. 1 S. 2; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 4 Abs. 1 S. 3; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 4 Abs. 1 S. 4; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 52 Abs. 8b S. 2; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 52 Abs. 8b S. 3; AEUV Art. 49; DBA Niederlande Art. 2 Abs. 1 Nr. 2, Art. 5 Abs. 2
Streitjahr(e)
2005
Tatbestand
Streitig ist, ob die Überführung von Rechten in eine ausländische Betriebsstätte zur Aufdeckung und Versteuerung von stillen Reserven führt.
Die Klägerin hat ihren Sitz in A. Komplementärin ist die B GmbH, die ebenfalls in A ansässig ist. Kommanditisten sind die C B.V., und - seit dem 24. Mai 2005 - die D B.V. (je 50 %), die beide ihren Sitz in den Niederlanden haben und zu diesem Zeitpunkt zugleich Kommanditisten (ebenfalls zu je 50 %) der E GmbH & Co. KG mit Sitz in A waren. Sämtliche vorgenannten Firmen gehören zur F B.V./NL.
Mit Vertrag vom 25. Mai 2005 entnahmen die Kommanditisten von der E GmbH & Co. KG sämtliche Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte einschließlich, aber nicht beschränkt auf die Rechte am geistigen Eigentum und legten die Rechte am geistigen Eigentum gegen Teil-Barzahlungen bei der Klägerin ein. In diesem Zusammenhang waren sich die Parteien einig, dass bei Vollzug der Entnahme sowie der Einlage die Rechte am geistigen Eigentum an die Klägerin direkt am Tage des Abschlusses dieses Vertrages abgetreten werden sollten.
Die Klägerin wurde dabei eingangs des Vertrages bezeichnet als eine Kommanditgesellschaft nach deutschem Recht mit eingetragenem Sitz in A, Deutschland und mit eingetragenem Firmensitz in G, N.L.
Unter dem 21. Oktober 2005 wurde beim Handelsregister in .../NL die Gründung einer Betriebsstätte der Klägerin in .../NL unter der vorgenannten Adresse eingetragen. Als Tag der Gründung ist der 26. Mai 2005 angegeben. Räumlichkeiten mietete die Klägerin von der H B.V., ansässig unter der Adresse ..., ab dem 1. Juni 2005 an.
Aufgrund der am 17. Oktober 2006 beim Beklagten eingereichten Erklärung zur gesonderten - und einheitlichen - Feststellung und unter Berücksichtigung weiterer in einem Schreiben vom 30. April 2008 enthaltener Angaben stellte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 12. Juni 2008 die Einkünfte erklärungsgemäß fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In dem Schreiben vom 30. April 2008 hatte die Klägerin u.a. dargelegt, dass ihrer Ansicht nach im Hinblick auf die Überführung von Wirtschaftsgütern des inländischen Stammhauses in dessen ausländische Betriebsstätte eine Besteuerung dieses Sachverhalts nicht in Betracht komme, weil die auf das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften -SEStEG- zurückzuführenden Änderungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 Einkommensteuergesetz -EStG- erstmals auf nach dem 31. Dezember 2005 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden seien.
Im Rahmen einer vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung bereits unter dem 10. Juni 2008 angeordneten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Ansicht, die Überführung der Rechte müsse gemäß Tz. 2.6.1 der Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999, Bundessteuerblatt -BStBl- I 1999, 1076) unter Aufdeckung der stillen Reserven mit dem Fremdvergleichswert im Zeitpunkt der Überführung erfolgen. Der zwischen den Beteiligten übereinstimmend ermittelte Wert der stillen Reserven i.H. von 4.710....