Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer: Anzuwendender Steuersatz, Verwirklichung des Erwerbsvorgangs bei aufschiebend bedingter Teilgegenleistung – Abgrenzung zur nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für den anzuwendenden Steuersatz nach § 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer vom 25. Juli 2011 ist der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs entscheidend.
  2. Hierfür ist im Falle einer aufschiebend bedingten Teilgegenleistung – anders als bei einer nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung - auf die bereits durch die rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen eingetretene Bindungswirkung und nicht auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts abzustellen.
 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 14 Abs. 1, § 23; GrEStFestG NW § 1 Fassung: 2011-07-25

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom ....2004 die Grundstücke Gemarkung A, Flur ..., Flurstück x, 13.897 m2 und Gemarkung B, Flur ..., Flurstück y, 25.858 m2, zum Kaufpreis von 137.000 Euro. Hierfür setzte der Beklagte am 12.05.2004 Grunderwerbsteuer i. H. v. 4.795 Euro fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

In dem Vertrag vom ....2004 war zudem Folgendes vereinbart:

„Sollte der Firma A die Zulassung der Auskiesung des Flurstücks x innerhalb der nächsten 15 Jahre unter wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen bestandskräftig erteilt werden, gerechnet von heute an, so verpflichtet sich die Firma A zur Zahlung eines zusätzlichen Kiesentgeltes i. H. v. 9,80/m2 für die alsdann genehmigte Kiesabbaufläche auf der genannten Fläche. Das Kiesentgelt wird fällig vier Wochen nach Eintritt der Bestandskraft der Entkiesungsgenehmigung.”

Die Klägerin teilte dem Beklagten am 13.11.2012 mit, dass am 05.11.2012 ein Betrag von 117.698 Euro an die Grundstücksveräußerin gezahlt worden sei, nachdem für eine Fläche von 1.20.10 ha eine Auskiesungsgenehmigung erteilt worden war.

Hierfür setzte der Beklagte Grunderwerbsteuer i. H. v. 5.884 Euro (117.698 Euro x 5%) mit Bescheid vom 15.11.2012 fest. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie trug vor, der Erwerbsvorgang sei vor dem 01.10.2011 verwirklicht worden, sodass der Steuersatz von 3,5 % anzuwenden sei. Der Beklagte wies den Einspruch am 04.06.2014 zurück. Er führte aus, ein grunderwerbsteuerlicher Erwerbsvorgang sei verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzuzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden sei, wenn also die Vertragspartner in Verhältnis zueinander gebunden seien, unabhängig davon, ob dieser Vorgang bereits die Entstehung einer Steuer auslöse oder nicht. Für den unbedingten Teil der Gegenleistung sei die Steuer bereits durch das Rechtsgeschäft in 2004 verwirklicht worden. Nach dem BFH-Urteil Aktenzeichen II R 26/92 sei die nach dem aufschiebend bedingten Teil der Gegenleistung zu bemessende Grunderwerbsteuer erst nach nachträglichem Hinzutritt eines weiteren Ereignisses, der Entkiesungsgenehmigung entstanden. Das Entstehen der darauf entfallenden Grunderwerbsteuer sei an zwei Voraussetzungen geknüpft, zum einen müsse bereits ursprünglich ein Erwerbsvorgang vorliegen, zum anderen müsse eine ursprünglich aufschiebend bedingte Verpflichtung durch Eintritt der Bedingung wirksam geworden sein. Die aufschiebend bedingte Gegenleistung sei genauso zu beurteilen wie eine nachträglich vereinbarte Gegenleistung.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin trägt vor:

Dem Erwerbsvorgang liege der am ....2004 abgeschlossene Kaufvertrag zugrunde. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung sei gem. § 23 Grunderwerbsteuergesetz ein Erwerbsvorgang. In Übereinstimmung damit stelle auch das Landesgesetz hinsichtlich seiner sachlichen und zeitlichen Anwendung darauf ab. Für die Anwendung der landesgesetzlichen Bestimmung des Steuersatzes komme es nach § 1 dieses Gesetzes auf die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs an. Ein Erwerbsvorgang sei vollendet, wenn die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden seien. Diese gegenseitige Bindung sei nicht davon abhängig, ob der Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöse oder nicht. Vom Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs sei der Zeitpunkt des Erwerbs zu trennen. Dies sei der Zeitpunkt, indem der zugrunde liegende Erwerbsvorgang durch Änderung der Rechtszuständigkeit an dem betroffenen Grundstück gewissermaßen „in die Tat” umgesetzt werde. Der Zeitpunkt des Erwerbs sei maßgeblich für die Bestimmung, wann ein Steuertatbestand bzw. Anspruch entstehe. Für die Beurteilung der Frage, wann ein Erwerbsvorgang verwirklicht sei, sei der Zeitpunkt des Erwerbs dagegen irrelevant. Das Landesgesetz stelle eindeutig allein auf die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ab. Entscheidend sei damit, wann eine Bindung der Parteien an das im Kaufvertrag vereinbarte eingetreten sei. Inhalt der vertraglichen Einigung sei, dass ein Grundstück gegen Zahlung eines nach der Größe bemessenen Kaufpreises i. H. v. 137.000 Euro über...

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