Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit von Dienstleistungen einer eingetragenen Genossenschaft als Arbeitsgemeinschaft ohne privatwirtschaftlichen Wettbewerber
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Betriebskrankenkassenverbund, der Datenverarbeitungsdienstleistungen gegen Kostenumlage an seine Mitglieder erbringt, erfüllt nicht die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 15 Satz 1a UStG, da er nicht selbst gesetzlicher Träger der Sozialversicherung ist.
- Die Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen des Verbundes folgt jedoch unmittelbar aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-Richtlinie, wonach Dienstleistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen steuerfrei sind, wenn die in ihnen zusammengeschlossenen Personen Tätigkeiten ausüben, die von der Steuer befreit sind.
- Die Befreiung führt nicht zu einer realen Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, da der Verbund seine Leistungen ausschließlich an seine Mitglieder erbringt, private Unternehmer keine vergleichbaren Leistungen anbieten und wegen des Sozialgeheimnisses eine Vergabe der Tätigkeiten an externe Dienstleister ausgeschlossen wäre.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3; SGB V § 219 Abs. 1; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Zusammenschluss von Betriebskrankenkassen in der Rechtsform „eines Verbundes”. „Beteiligte können” u.a. nur Betriebskrankenkassen, deren Verbände und andere Krankenkassen „werden”. Der Zusammenschluss der Betriebskrankenkassen stellt zugleich eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 219 Sozialgesetzbuch (SGB) V dar (§ 1 Abs. 3 der Satzung).
„...” Gegenstand des Unternehmens der Klägerin „ist” die Betreuung ihrer „Beteiligten” mit Datenverarbeitungs- und Organisationsdienstleistungen im Umfeld der von den „Beteiligten” eingesetzten Datenverarbeitungssystemen sowie die Beratung der „Beteiligten” in betriebswirtschaftlichen Fragen. „...” eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nicht „-Beteiligte” „ist ausgeschlossen”.
Der Kernbereich der Tätigkeit der Klägerin umfasst die EDV-technische Abwicklung dessen, was die Krankenkassen als Leistungen erbringen. Der technische Ablauf gestaltet sich so, dass die Eingaben in den Computer vor Ort bei den einzelnen Krankenkassen erfolgen, die Klägerin sodann sämtliche eingegebenen Daten eigenverantwortlich bearbeitet. Im einzelnen deckt die Tätigkeit der Klägerin folgende Bereiche ab: Produktion, Beleglesung, Kontenklärung, Verwaltungsvollstreckung und Fachberatung. Wegen weiterer Einzelheiten zu den Tätigkeitsbereichen wird auf die Klagebegründung vom 02.01.2003 Bezug genommen. Die ihr entstandenen Kosten legt die Klägerin anteilig auf ihre „Beteiligten” um.
Mit Schreiben vom 01.03.2000 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer verbindlichen Auskunft darüber, ob ihre Leistungen an ihre „Beteiligten” der Umsatzbesteuerung unterlägen. Sie vertrat die Auffassung, dass die Umsätze bereits nicht steuerbar seien. Als Arbeitsgemeinschaft im Sinne des § 219 Abs. 1 SGB V könne sie einem Hoheitsträger gleich gestellt werden. Damit wäre sie nur mit einem Betrieb gewerblicher Art steuerpflichtig (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Umsatzsteuergesetz -UStG-). Ein derartiger Betrieb liege nur dann vor, wenn die Aufgaben auch von einer Privatperson wahrgenommen werden könnten. Dies sei hier jedoch nicht möglich, da die „Beteiligten-Daten” nicht an private Dritte weitergegeben werden dürften. Hilfsweise seien die Umsätze in analoger Anwendung des § 4 Nr. 15 Satz 1a UStG als steuerfrei zu behandeln. Dies ergebe sich aus der Zweckbestimmung der Vorschrift, den Haushalt der Sozialversicherungsträger nicht zu Lasten der Beitragszahler zusätzlich mit Umsatzsteuer zu belasten.
Zur weiteren Begründung verwies die Klägerin auf eine Stellungnahme des Bundesversicherungsamtes vom 11.11.1999 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF), sowie auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 10.11.1999 - 2 BvR 2861/93, Bundessteuerblatt – BStBl - II 2000, 160 - und des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 05.06.1997 - Rs. C-2/95, Umsatzsteuer-Rundschau – UR - 1998, 64 -. Danach sei weder die Rechtsform des Unternehmens noch die Person des Leistenden oder Leistungsempfängers, sondern vielmehr der sachliche Grund der Befreiung beziehungsweise die Art des Umsatzes für die Steuerbefreiung entscheidend.
Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 24.11.2000 die begehrte verbindliche Auskunft ab. Zur Begründung verwies er auf die Antwortschreiben des BMF an das Bundesversicherungsamt vom 27.01. und 04.05.2000.
Am 25.10.2001 ging die Umsatzsteuererklärung beim Beklagten ein, der mit Mitteilung vom 12.11.2001 zugestimmt wurde. Die festgesetzte Umsatzsteuer beträgt „XXX” DM.
Mit Schreiben vom 06.11.2001 (Eingang beim Beklagten am 07.11.2001) legte die Klägerin gegen die eingereichte Steuererklärung Einspruch ein. Sie vertrat weiterhin die Auffassung, dass ihre Umsätz...