Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsverlust bei GmbH-Insolvenz: Anspruch auf Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheids des Realisierungsjahres wegen neuer Tatsachen
Leitsatz (redaktionell)
- Auch bei einem über 10 Jahre währenden Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH trifft den Steuerberater, der für einen der beteiligten Gesellschafter die Einkommensteuererklärung für das Jahr der Verfahrensbeendigung ohne die Deklaration des Auflösungsverlustes einreicht und den daraufhin ergehenden Steuerbescheid bestandskräftig werden lässt, ein die Änderung dieses Bescheids wegen neuer Tatsachen ausschließendes grobes Verschulden, das sich der vertretene Gesellschafter zurechnen lassen muss.
- Hat der steuerliche Berater Kenntnis von der Entstehung eines Auflösungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG, ist er gehalten, bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den für den Realisierungszeitpunkt maßgeblichen Status des Insolvenzverfahrens zu überprüfen (vgl, Urteil des FG Bremen, vom 10.12.2003 2 K 148/03 (1), EFG 2004, 508).
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 2, 4
Streitjahr(e)
2015
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit ein Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2015 zu berücksichtigen ist.
Der Kläger gründete 1990…die A-GmbH (im Folgenden GmbH). Geschäftsführer der GmbH waren der Kläger und die Herren A und B. Von dem gesamten Stammkapital i.H.v. 402.000 DM übernahm der Kläger einen Betrag von 133.500 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 27.03.1990 Bezug genommen.
Der Kläger und die GmbH wurden seit 1990 von dem Prozessbevollmächtigten, einem Steuerberater, steuerlich beraten. Ab 2005 wurde die steuerliche Beratung von der vom Prozessbevollmächtigten neu gegründeten Steuerberatungssozietät fortgeführt.
Am 06.12.2004 stellten der Kläger und Herr A beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH (Az....). Das Insolvenzverfahren wurde am 11.01.2005 eröffnet.
Der Prozessbevollmächtigte meldete offene Honorarforderungen i.H.v. 2.310 Euro zur Insolvenztabelle an, die vom Insolvenzverwalter anerkannt wurden.
Jedenfalls ab dem Jahr 2008 zahlte Herr C monatliche Raten i.H.v. 100 Euro an den Insolvenzverwalter zur Rückzahlung eines Darlehens.
Im Jahr 2008 verklagte der Insolvenzverwalter die drei Gesellschafter-Geschäftsführer auf gesamtschuldnerische Zahlung von 328.760,34 Euro nebst Zinsen (Landgericht , Az. ...). Er war der Ansicht, dass Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Auszahlung von Gesellschafterguthaben bestünden. Mit seiner Entscheidung im Revisionsverfahren verwies der Bundesgerichtshof die Sache zurück an das Oberlandesgericht ..., welches mit Urteil vom 26.07.2013 den Rechtsstreit endgültig entschied. Die Gesellschafter wurden verurteilt, jeweils 5.352,95 Euro nebst Zinsen an den Insolvenzverwalter zu zahlen; im Übrigen hatte die Klage des Insolvenzverwalters keinen Erfolg.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war über den Verlauf dieses Klageverfahrens informiert; er war im Hintergrund an der Betreuung der Gesellschafter bei der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter beteiligt.
Mit Schreiben vom 26.02.2014 zeigte der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an. Die durch den Rechtsstreit vor dem Zivilgericht entstandenen Kosten würden die vorhandene Insolvenzmasse erheblich übersteigen. Hierüber wurden die Gesellschafter der GmbH schriftlich informiert.
Der Insolvenzverwalter erstellte unter dem 29.04.2015 seinen Schlussbericht. Am 09.07.2015 fand der Termin für eine abschließende Gläubigerversammlung zur Anhörung zur Verfahrenseinstellung mangels Masse und zur Erörterung der Schlussrechnungslegung des Insolvenzverwalters statt. Die Insolvenzgläubiger, der Insolvenzverwalter und die Gesellschafter der GmbH wurden zu diesem Termin geladen.
Mit Beschluss vom 27.08.2015 wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt. Das Insolvenzgericht stellte den Gesellschaftern der GmbH ein Schreiben zu, dem eine Abschrift des Einstellungsbeschlusses beigefügt war.
Am 28.10.2015 ordnete das Insolvenzgericht hinsichtlich des noch nicht vollständig zurückgezahlten Darlehens des Herrn C i.H.v. 2.600 Euro die Nachtragsverteilung an. Den Gesellschaftern der GmbH wurde jeweils eine Abschrift dieses Beschlusses übersandt.
Am 18.12.2015 wurde die Löschung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Am selben Tag wurde die Handelsregistereintragung auf der öffentlich zugänglichen Internetseite www.handelsregisterbekanntmachungen.de bekannt gemacht.
Mit Schreiben vom 21.12.2015 informierte das Amtsgericht Herrn B über die Eintragung der Löschung der GmbH in dem Handelsregister.
Im April 2016 reichte der Kläger über Elster seine Einkommensteuererklärung 2015 beim Beklagten ein. Bei der Anfertigung der Steuererklärung hatte der Prozessbevollmächtigte mitgewirkt.
Erklärt wurden Einkünfte aus selbständiger...