vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 100/06)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Über Einwendungen gegen die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer hat die Kirchenbehörde zu entscheiden

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Einwendungen gegen die Berechnung der Kirchensteuer-Bemessungsgrundlage unter Einbeziehung der steuerfreien Halbeinkünfte (§ 51a Abs. 2 EStG) sind nicht durch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zu verfolgen, sondern gegen den Kirchensteuerbescheid geltend zu machen.
  2. Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG ist keine selbständig anfechtbare gesonderte Feststellung, sondern eine unselbständige Berechnung ohne bindende Außenwirkung, die zum Aufgabenbereich der Kirche gehört und nicht den Begriff der „Maßstabsteuer” i. S. von § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG erfüllt. Die Finanzbehörde wird insoweit im Auftrag der Kirchenverwaltung tätig.
  3. Ein von der Finanzbehörde durchgeführtes Vorverfahren wegen eines als Rechtsbehelf gegen den Kirchensteuerbescheid auszulegenden Einspruch reicht als Sachentscheidungsvoraussetzung nicht aus, weil der vollständige außergerichtliche Rechtsschutz des Steuerpflichtigen damit nicht sichergestellt ist.
  4. Beruhen die Verfahrenskosten auf einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung und der Durchführung des falschen Vorverfahrens durch die beklagte Behörde, sind dieser die Kosten des durch Prozessurteil abgeschlossenen Verfahrens aufzuerlegen.
  5. Für den unterlassenen Einspruch gegen den Kirchensteuerbescheid kann aufgrund der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein, da der Begriff der höheren Gewalt auch Fälle erfasst, in denen der Steuerpflichtige durch das Verhalten einer Behörde davon abgehalten wird, eine Frist zu wahren.
 

Normenkette

EStG § 51a Abs. 2; KiStGNW § 4 Abs. 1, 2 S. 1, § 14 Abs. 6 S. 1; KiStO § 25 Abs. 2 S. 1; AO § 351 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.11.2007; Aktenzeichen I R 100/06)

BFH (Beschluss vom 28.11.2007; Aktenzeichen I R 100/06)

 

Tatbestand

Der Kläger wird zur Einkommensteuer einzeln veranlagt. Ebenso wie sein Bruder R. war er zu 50 % an der vermögensverwaltenden Gesellschaft R. und S. GbR beteiligt; die GbR wiederum war Gesellschafterin der A-GmbH. Im Streitjahr veräußerte die GbR einen Teilgeschäftsanteil an der GmbH und erzielte damit einen Veräußerungsgewinn i. S. von § 17 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG – von rd. 3,5 Mio. EUR; hiervon entfielen auf den Kläger anteilig 1.773.798 EUR. Die in der Vergangenheit zur Finanzierung des Geschäftsanteils aufgelaufenen Zinsen betrugen zum 31. Dezember 2001 rd. 2,5 Mio. EUR; sie sind Teil des zum 31. Dezember 2001 verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 3 EStG von 4.241.685 EUR.

Im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 3. August 2004 erfasste der Beklagte den anteiligen Veräußerungsgewinn des Klägers unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) mit 50 %, d.s. 886.899 EUR. Nach Berücksichtigung der weiteren Einkünfte des Klägers und von Verlustvorträgen nach § 10d EStG setzte der Beklagte die Einkommensteuer wie folgt fest:

steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn

886.899 EUR

negative Halbeinkünfte

./. 232.143 EUR

übrige Einkünfte

55.012 EUR

GdE

709.768 EUR

Verlustabzug ab 1999

./. 264.563 EUR

Verlustabzug bis 1998

./. 443.054 EUR

Sonderausgaben

./. 2.151 EUR

zvE

0 EUR

Est

0 EUR

Die Kirchensteuer berechnete der Beklagte unter Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG wie folgt:

zu versteuerndes Einkommen

0 EUR

zzgl. steuerfreie Halbeinkünfte

654.634 EUR

maßgebendes zu versteuerndes Einkommen

654.634 EUR

darauf entfallende Einkommensteuer

307.629 EUR

Bemessungsgrundlage

307.629 EUR

davon 9 v.H. Kirchensteuer

27.686 EUR

Die dem Bescheid beigefügte programmgesteuerte Rechtsbehelfsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt: „Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer ist ebenfalls der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt einzureichen, wenn er sich gegen die Höhe der der Festsetzung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage richtet. Ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer, der sich auf Gründe stützt, die nicht mit der Berechnung der zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage zusammenhängen, ist insoweit bei der zuständigen evangelischen Kirchengemeinde einzureichen.”

Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein, weil trotz einer Einkommensteuerschuld von 0 EUR eine Kirchensteuer festgesetzt worden sei. Die Vorschrift des § 51a Abs. 2 EStG sei teleologisch dahin auszulegen, dass sich die Bemessungsgrundlage für Zwecke der Kirchensteuerfestsetzung um die zum 31. 12. 2001 bestehenden Verlustvorträge vermindere; danach ergebe sich hier eine Bemessungsgrundlage von 0 EUR, so dass die Kirchensteuer ebenfalls auf 0 EUR herabgesetzt werden müsse.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 11. April 2005 als unbegründet zurück; zur Begrün...

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