vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelberichtigung der Umsatzsteuer bei Entgeltvereinnahmung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen durch den Insolvenzverwalter. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 3/23)
Leitsatz (redaktionell)
- Wird das Entgelt für vor Insolvenzeröffnung (hier: in Eigenverwaltung) ausgeführte Leistungen erst nach Insolvenzeröffnung vereinnahmt, führt dies im Rahmen der Sollbesteuerung zur Berichtigung der Umsatzsteuer im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aufgrund Uneinbringlichkeit und zu einer nachfolgenden zweiten Berichtigung der Umsatzsteuer im Massebereich, durch die eine Masseverbindlichkeit begründet wird (sog. Doppelberichtigung; Anschluss an BFH-Urteil vom 9.12.2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996).
- Die Durchführung der zweiten Berichtigung ist materiell-rechtlich nicht von der Vornahme der ersten Berichtigung abhängig.
Normenkette
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1-2; InsO §§ 38, 55 Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1, § 270
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Änderung einer Umsatzsteuerfestsetzung betreffend den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung hat.
Die Klägerin ist eine GmbH. Am…2019 beantragte die Geschäftsführung der GmbH beim Amtsgericht Z-Stadt (Insolvenzgericht), über das Vermögen der Klägerin ein Insolvenzverfahren zu eröffnen und vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a der Insolvenzordnung (InsO) anzuordnen. Mit Beschluss vom…2019 ordnete das Insolvenzgericht antragsgemäß die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellte einen vorläufigen Sachwalter, der damit beauftragt wurde, ein Gutachten darüber zu erstellen, ob ein Eröffnungsgrund vorliege und welche Aussichten für die Fortführung des Unternehmens der Klägerin bestünden.
Mit Beschluss vom…2019 ermächtigte das Insolvenzgericht die Klägerin im Wege einer Einzelermächtigung, Verbindlichkeiten gegenüber Dienstleistern und Versorgern in einem Volumen von bis zu…EUR im Insolvenzeröffnungsverfahren im Rang von Masseverbindlichkeiten begründen zu dürfen.
In seinem Gutachten vom…2019 kam der vorläufige Sachwalter zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zahlungsunfähig und überschuldet sei. Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens bestünden aber im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens. Der vorläufige Sachwalter empfahl daher, das Insolvenzverfahren zu eröffnen und Eigenverwaltung gem. § 270 InsO anzuordnen.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom…2019 im Verfahren 000 IN 000 /19 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und Eigenverwaltung durch die Klägerin als Gemeinschuldnerin angeordnet. Der bisherige vorläufige Sachwalter wurde zum Sachwalter bestellt. In der Folgezeit wurde ein Insolvenzplan für die Klägerin zur Prüfung, Erörterung und Abstimmung vorgelegt. Dieser sah u.a. für die ungesicherten und nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger eine Quote von 15% vor. Auf diesen Insolvenzplan in der Fassung vom…2019 wird Bezug genommen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Insolvenzplans im…2020 hob das Insolvenzgericht mit Beschluss vom ...2020 das Insolvenzverfahren auf.
Umsatzsteuerlich unterlag die Klägerin im Jahr 2019, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (sog. Sollbesteuerung, § 16 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buch. a des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die Klägerin Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und die angemeldete Umsatzsteuer an das FA abgeführt. Ab Insolvenzeröffnung führte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter zwei Steuernummern, und zwar der Steuernummer 000 / 0000 / 0001 in Bezug auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung (...) sowie unter der Steuernummer 000 / 0000 / 0002 (...) für die Zeit nach Insolvenzeröffnung.
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens meldete das FA seine Steuerforderungen für den Zeitraum vom 1.1. bis zum…2019 zum Insolvenzplan an.
Am 23.7.2020 übermittelte die Klägerin dem FA zwei Umsatzsteuererklärungen betreffend das Jahr 2019, und zwar eine unter der Steuernummer 000/0000/0001 für den Zeitraum vom 1.1. bis zum…2019 und eine unter der Steuernummer 000/0000/0002 für den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung vom…bis zum 31.12.2019. In der letztgenannten Steuererklärung machte die Klägerin folgende Angaben:
Leistungen 19% |
… |
Umsatzsteuer hierauf |
… |
Leistungen § 13b UStG |
… |
Umsatzsteuer hierauf |
… |
Umsatzsteuer gesamt |
… |
Vorsteuer § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG |
… |
Vorsteuer § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG |
… |
Verbleibende Umsatzsteuer |
… |
Vorauszahlungen |
… |
Erstattung/Zahllast |
… |
In einem Anschreiben an das FA vom selben Tag führte sie zur Erläuterung aus: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am…2019 hätte eine erste Berichtigung und im Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung eine zweite Berichtigung bestimmter Umsätze erfolgen müssen. Sie habe versehentlich versäumt, insoweit eine richtige Zuordnung und Berichtigung vorzunehmen. Im Rahmen einer internen Überprüfung de...