Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung bei nicht ordnungsgemäßer Kassenführung - Bemessung mit prozentualem Zuschlag zum erklärten Umsatz
Leitsatz (redaktionell)
Werden bei einem Speiserestaurant mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen und täglichen Kassenbeständen von z. T. mehr als 30.000,00 EUR weder ein Kassenbuch geführt oder ordnungsgemäße Kassentagesberichte erstellt noch Inventuren durchgeführt, rechtfertigen diese formellen Buchführungsmängel - auch unabhängig von dem Ergebnis einer Nachkalkulation - eine Hinzuschätzung von 8 % des erklärten Umsatzes.
Normenkette
AO § 146 Abs. 1 S. 2, §§ 158, 162 Abs. 2 S. 2
Streitjahr(e)
2006, 2007, 2008
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein chinesisches Speiserestaurant.
Im Rahmen einer für die Jahre 2006 bis 2008 durchgeführten Außenprüfung durch den Beklagten stellte der Prüfer unter anderem fest, dass die Klägerin für den Zeitraum von ihrer Gründung im September 2006 bis einschließlich Oktober 2008 keine ordnungsmäßigen Kassenbelege vorlegen konnte. Weder habe die Klägerin ein Kassenbuch geführt, noch seien ordnungsgemäße Kassentagesberichte durch die Klägerin erstellt worden. Außerdem sei es in 2008 zu diversen Kassenfehlbeträgen (zwischen 300,00 und 2.200,00 EUR) gekommen, während die täglichen Kassenbestände z. T. bei mehr als 30.000,00 EUR gelegen hätten. Auch Inventuren seien durch die Klägerin nicht durchgeführt worden; die Warenendbestände seien lediglich im Wege der Schätzung ermittelt worden.
Infolge der festgestellten Mängel gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass keine formell und materiell ordnungsmäßige Kassenbuchführung vorgelegen habe (vgl. Tz. 2.1 des Betriebsprüfungsberichts vom 24.01.2011). Auf Grundlage einer durch den Prüfer durchgeführten Nachkalkulation kam dieser zu einer Kalkulationsdifferenz von 43.000,00 EUR, wovon nach Abzügen für bisher eventuell noch nicht berücksichtigte Sachverhalte 40.000,00 EUR netto verblieben seien.
Der Prüfer schlug vor, die Kalkulationsdifferenz von 40.000,00 EUR und 8 % der von der Klägerin erklärten Umsätze der Umsatzsteuer zu unterwerfen (7.600,00 EUR) und in Höhe des Bruttobetrages von 47.600,00 EUR eine verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzen.
Der Beklagte folgte den Vorschlägen des Prüfers und erließ entsprechend geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 2008, zum Gewerbesteuermessbetrag 2008, zur Umsatzsteuer 2008, über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gem. § 27 KStG zum 31.12 2008 und über die gesonderte Feststellung gem. § 28 KStG zum 31.12.2008. Den gegen die Änderungsbescheide erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2011 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die hohen Kassenbestände dadurch zustande gekommen seien, dass die Klägerin nur dann Geld auf das Bankkonto eingezahlt habe, wenn entsprechende Belastungen zu erwarten gewesen seien. Insoweit seien die buchmäßig hohen Bestände erklärlich.
Hinsichtlich der Kassenbuchführung sei zu berücksichtigen, dass die inzwischen verschrottete Kasse lediglich die Tageseinnahmen ausgewiesen habe, die der Geschäftsführer „U” sodann gezählt und in sein manuell geführtes Kassenbuch übertragen habe. Es habe sich folglich um eine reine Einnahmekasse gehandelt. Dass es der Klägerin ursprünglich gleich gewesen sei, ob die Kassenführung durch den Prüfer als ordnungsgemäß anerkannt worden sei oder nicht, habe seinen Grund darin, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, der Prüfer werde richtig schätzen. Die von ihm angewendete 30/70 Methode sei jedoch nicht geeignet, den Umsatz eines Produktes mit niedrigem Aufschlag (Speisen) im Verhältnis zu einem Produkt mit hohem Aufschlag (Getränke) zu schätzen. Innerhalb eines Jahres änderten sich nämlich die Warenbestände und die Zusammensetzung der Umsätze. Zu Betriebsfeiern, die gewöhnlich im 4. Quartal stattfänden, sowie zu Weihnachten und Silvester erhöhten sich die Getränkeumsätze, so dass es im Endeffekt zu höheren Aufschlägen komme. Im Sommer hingegen würden mehr Tagesgerichte verkauft, bei denen die Preise für Speisen niedrig kalkuliert seien. Der richtige Aufschlagsatz ergebe sich letztlich aus dem Durchschnitt der Umsätze über ein Jahr und sei der Gewinn- und Verlustrechnung zu entnehmen. Er entspräche zudem den vorgegebenen Richtsätzen für Speiserestaurants.
Soweit der Beklagte das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20.03.2008 (16 K 4689/06) anführe, könne dieses nicht unbesehen übernommen werden. Zum einen sei dort nachgewiesen worden, dass der Betreiber des Restaurants außerhalb der Buchführung eingekauft habe, und zum anderen sei im Urteil eine Kalkulationsdifferenz von 10 % gegeben gewesen, die im vorliegenden Fall nicht erreicht worden sei. Weiterhin müsse berücksichtigt werden, dass im Urteilsfall für Schankverluste, Freigetränke, Personalbeköstigung und Eigenverbrauch mehr als ein Viertel des Getränkeeinkaufs abgezogen worden sei. Es könne aber nicht richtig sein, dass ein Urteil nur für die nachteiligen Schluss...