rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
„Strohmann” als Leistender im Sinne des Umsatzsteuerrechts kann Vorsteuerabzug bei Drittem ermöglichen
Leitsatz (redaktionell)
Aufgrund der für die Bestimmung des Leistenden grundsätzlich maßgebenden zivilrechtlichen Vereinbarungen kann der Vorsteuerabzug aus Leistungen eines als Subunternehmer auftretenden sog. Serviceunternehmens nicht wegen fehlender Identität zwischen Rechnungsaussteller und dem tatsächlich leistenden Unternehmer versagt werden, wenn der ausdrücklich oder stillschweigend einvernehmliche Abschluss eines Strohmanngeschäfts zwischen den Vertragsparteien nicht festgestellt werden kann. Zweifel an der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Subunternehmers reichen hierfür nicht aus.
Normenkette
UStG § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1994
Tatbestand
Die Klägerin ist eine mit Arbeitsgemeinschaftsvertrag vom 11.05.1994 von den Bauunternehmen W- GmbH & Co und L-GmbH & Co KG gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Auftrag des … schulvereins e. V. Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung der -Schule in … ausführte. In ihrer Umsatzsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1994 machte die Klägerin in fünf Rechnungen der Firma T. M. GmbH, …, … über die Erstellung von Mauerwerk ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 4.258,77 DM als Vorsteuer geltend. Die Rechnungen datieren zwischen dem 26.08. und 26.09.1994. Eine der Rechnungen (Vorsteuer 761,37 DM) ist an die „Fa. L” adressiert; die übrigen vier Rechnungen weisen die Klägerin als Rechnungsempfängerin aus. Wegen des weiteren Inhalts der Rechnungen im Einzelnen wird auf die Ablichtungen in der Betriebsprüfungsakte des Beklagten (Bl. 12, 14, 16, 19 und 21) Bezug genommen.
Die T.M. GmbH wurde nach den Feststellungen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung … durch Gesellschaftsvertrag vom 01.03.1994 gegründet und am 26.09.1994 mit Sitz in …, … ins Handelsregister des AG … eingetragen. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war T.M. Gegenstand der T.M. GmbH sollte die Tätigkeit als Generalunternehmer im Wohn- und Gewerbebau sowie die Durchführung von Rohbauarbeiten in eigener Regie sein. Laut einer Mitteilung der T.M. GmbH vom 13.12.1994 verlegte sie ihren Sitz nach …. Nach Angaben des T.M. verkaufte er seine Gesellschaftsanteile am 24.11.1994 an O., in … . Laut Auskunft des Vermieters des O verließ O seine Wohnung nach einem Streit mit seinem Arbeitgeber - dem Betreiber einer Pizzeria - im Dezember 1994; seitdem ist sein Aufenthalt unbekannt. Weiter stellte die Steuerfahndung fest, dass der Sitz der T.M. GmbH nach …, … verlegt werden sollte. Da dort bei einer Überprüfung durch die IHK … kein Firmensitz der T.M. GmbH festgestellt werden konnte, verweigerte das AG die Eintragung der Sitzverlegung. Am 15.12.1995 wurde die T.M. GmbH von Amts wegen im Handelsregister gelöscht. Bei einer am 11.07.1995 durchgeführten Durchsuchung in der Wohnung des T.M. wurden außer einigen Blanko-Rechnungsvordrucken keine weiteren betrieblichen Unterlagen vorgefunden. Geschäftsräume existierten nach den Feststellungen der Steuerfahndung nicht mehr.
Die Steuerfahndung gelangte zu der Feststellung, dass es sich bei der T.M. GmbH um ein sog. Serviceunternehmen gehandelt habe, das selbst keine Bauleistungen erbracht, sondern es Dritten - sog. Kolonnenschiebern - ermöglicht habe, von diesen bzw. deren Schwarzarbeiterkolonnen erbrachte Leistungen unter dem Namen des Serviceunternehmens abzurechnen. Die T.M. GmbH habe die Aufgabe gehabt, Arbeitnehmer zu minimalen Löhnen bei Sozialversicherungsträgern anzumelden, damit sie in den Besitz von Sozialversicherungsausweisen gelangten. Tatsächlich habe jedoch kein Arbeitsverhältnis zur T.M. GmbH, sondern zu den jeweiligen Kolonnenschiebern bestanden, die den Arbeitnehmern ein Vielfaches der angemeldeten Löhne in bar ausgezahlt hätten. Außerdem habe die T.M. GmbH die tatsächlich durch die Kolonnenschieber erbrachten Leistungen unter dem Namen der T.M. GmbH abgerechnet, um den Auftraggebern der Kolonnenschieber den Vorsteuer- und Betriebsausgabenabzug zu ermöglichen. Die Bankkonten der T.M. GmbH seien dazu genutzt worden, Schecks der Auftraggeberfirmen einzulösen und innerhalb von ca. drei Tagen zu Bargeld zu machen. Für diese Leistungen habe das Serviceunternehmen ca. 20 - 25 % der jeweiligen Bruttorechnungssummen erhalten.
Durch Urteil des LG … vom 29.11.1996 wurde der Geschäftsführer der T.M. GmbH - T.M. - wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt. Im Rahmen dieses Strafverfahrens ließ sich T.M. ausweislich des Strafurteils wie folgt ein:
„Anfang des Jahres 1994 habe ihm ein italienischer Bekannter bei einem Gespräch in einer Bar empfohlen, selbst eine Baufirma zu gründen. Den Namen dieses Bekannten könne er nicht nennen; allgemein kenne er sowieso nur Vornamen, da es unter Landsleuten üblich sei, sich nur mit Vornamen anzureden. Er sei dann mit einem italienischen Bekannten zu einem Notar...