rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung der Lohnsteuerklasse durch Fortsetzungsfeststellungsklage; kein Ehegatten-Splitting bei dauerndem Getrenntleben
Leitsatz (redaktionell)
- Die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Eintragung einer Steuerklassenänderung auf der Lohnsteuerkarte kann der Steuerpflichtige auch nach Ablauf des 3. Monats des Folgejahres zulässigerweise durch Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage geltend machen, soweit nicht bereits eine bestandskräftige Einkommensteuerveranlagung vorliegt.
- Die Beschränkung der Anwendung des Splittingtarifs und damit der Eintragungsvoraussetzungen der Lohnsteuerklasse III auf eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften stellt auch im Hinblick auf die Unterhaltspflicht eines getrennt lebenden Ehegatten und Elternteils keine willkürliche Ungleichbehandlung dar.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4; EStG § 32a Abs. 1, 5, § 38 S. 2 Nrn. 1b, 3, § 39a Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger lebt seit Mai 1999 von seiner Ehefrau getrennt; er hat drei eheliche Kinder, die im Haushalt der Ehefrau leben. Für 2000 stellte ihm die Stadt ‚S’ eine Lohnsteuerkarte aus, in der die Steuerklasse I sowie 0,5 Kinderfreibeträge eingetragen waren.
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Er beantragte die Eintragung der Steuerklasse III sowie die Berücksichtigung von 1,5 Kinderfreibeträgen für drei Kinder. Die Stadt ‚S’ erklärte sich bereit, 1,5 Kinderfreibeträge für drei Kinder zu berücksichtigen und lehnte darüber hinaus die Änderung der Steuerklasse ab. Der Kläger bestand weiterhin auf der Eintragung der Steuerklasse III und trug vor, die Einordnung getrennt lebender bzw. geschiedener Familienväter in die Steuerklasse I sei verfassungswidrig.
Daraufhin legte die Stadt ‚S’ den Einspruch dem beklagten Finanzamt gemäß § 39 Abs. 6 Satz 3 Einkommensteuergesetz -EStG- zur Entscheidung vor. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf ein Erläuterungsschreiben aus, es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Lohnsteuerklasse III nur Ehegatten gewährt werde, die nicht dauernd getrennt lebten. Diese Regelung beruhe auf der Beurteilung der Ehe als einer Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs und ermögliche eine am Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz -GG- orientierte Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Besteuerung nach der Lohnsteuerklasse I berücksichtige demgegenüber, dass diese Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft bei getrennt lebenden Ehegatten aufgehoben sei. Dies stelle keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, keine willkürliche Benachteiligung getrennt lebender Ehegatten, sondern eine sachgerechte Regelung unterschiedlicher Lebenssachverhalte dar. Dieser Auffassung sei auch das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- in seinem Urteil vom 15. Juli 1987 1 BvR 54/87.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Vorschrift des § 38 Satz 2 Nr. 1 b bzw. Nr. 3 EStG, die die Anwendung der Lohnsteuerklasse III auf verheiratete Arbeitnehmer beschränke, die nicht dauernd getrennt lebten, sei verfassungswidrig. Auch bei dauernd getrennt lebenden Elternteilen bestehe die Familie fort, und zwar als Gemeinschaft der Eltern mit ihren Kindern. Nach Aufhebung der ehelichen Beziehung zwischen den Eltern stehe die Familie weiterhin unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieser Gedanke liege im Übrigen der Reform des Kindschaftsrechts zum 1. Juli 1998 zugrunde, deren erklärtes Ziel es gewesen sei, die Autonomie der Scheidungsfamilie zu stärken und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Gegen dieses Verständnis von Familie verstoße die Nichtgewährung des Splittingtarifs bzw. der Steuerklasse III für getrennt lebende Elternteile; diese Regelung benachteilige Familien, bei denen eine eheliche Lebensgemeinschaft fehle. Durch den Wechsel der Steuerklasse bei dem unterhaltsverpflichteten Elternteil sinke dessen verfügbares Nettoeinkommen und damit der zu zahlende Kindesunterhalt. Hierdurch seien insbesondere die Kinder aus Scheidungsfamilien benachteiligt. Demgegenüber erziele der Fiskus auf Kosten der getrenntlebenden Ehegatten ein höheres Steueraufkommen, nicht nur infolge des höheren Lohnsteuerabzugs, sondern auch infolge der Beschränkung der abzugsfähigen Unterhaltszahlungen an den getrennt lebenden Ehegatten auf 27.000 DM. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei vor 13 Jahren ergangen und habe den damaligen Wertentscheidungen entsprochen. Spätestens die Reform des Kindschaftsrechts habe gezeigt, dass das heutige Verständnis von Familie ein anderes sei. Da die Regelungen des Steuerrechts zur Besteuerung von getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten den Änderungen im Familienrecht und dem darin zum Ausdruck kommenden Verständnis der Familie widersprächen, seien die steuerlichen Regelungen verfassungswidrig.
Die Einkommensteuererklärung für 2000 hat der Kläger noch nicht abgegeben; ein Einkommensteuerbescheid ist auch ...