Entscheidungsstichwort (Thema)
Spendenrücktrag bei Überschreitung nur eines der Höchstsätze des § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Der Rücktrag einer Großspende in einen vorhergehenden Veranlagungszeitraum setzt nicht die kumulative, sondern nur die alternative Überschreitung der Höchstsätze von 10% des Gesamtbetrages der Einkünfte bzw. 2 v.T. der Summe der Umsätze, Löhne und Gehälter voraus.
Normenkette
EStG § 10b Abs. 1 Sätze 1-3
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Möglichkeit eines Spendenrücktrags gemäß § 10b des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus dem Jahr 1996 in das Jahr 1995 besteht.
Die Kläger, die unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, leisteten im Jahr 1996 eine Spende i.H.v. 250.000 DM an die Stadt „A” zu Gunsten der „X"-Stiftung. Es ist unstreitig, dass diese Zuwendung dem Grunde nach als Spende steuerlich berücksichtigungsfähig ist.
Mit Schreiben vom 11.2.2000 legten die Kläger gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 4.2.2000 Einspruch ein. Dieser Bescheid wies eine Einkommensteuer von 51.444 DM aus, nachdem die Steuer zuvor 0,- DM betragen hatte. Sie beantragten, die geleistete Spende in voller Höhe aus dem Jahr 1996 in das Jahr 1995 zurückzutragen und Verlustrückträge aus den Jahren 1996 und 1997 mit 702.540 DM und 985.000 DM - und damit niedriger als zuvor - zu berücksichtigen. Dem Einspruchsbegehren entsprach das Finanzamt mit Änderungsbescheid vom 3.3.2000 nur hinsichtlich der Verlustrückträge und setzte die Einkommensteuer auf nunmehr 82.801 DM fest. Den Spendenrücktrag versagte es und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 17.10.2001 als unbegründet zurück. Darin vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass die in § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG aufgestellten Voraussetzungen für den Spendenrücktrag nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Diese Vorschrift knüpfe nämlich die Möglichkeit des Rücktrags einer Großspende zum einen an die Bedingung, dass die Höhe der Einzelzuwendung mehr als 10% des Gesamtbetrags der Einkünfte der Kläger im Spendenjahr betrage. Dies sei unstreitig der Fall. Zugleich - und nicht lediglich alternativ - müsse die Höhe der Spende jedoch mehr als 2 v.T. der Summe der von den Klägern 1996 im Rahmen ihrer gewerblichen Betätigung erlösten Umsätze und aufgewendeten Löhne und Gehälter ausmachen. Da sich diese Summe unstreitig auf 138.885.604 DM belaufe, sei die demnach bei 277.771 DM liegende 2 v.T.-Grenze nicht erreicht. Ein Rücktrag der Spende komme daher ungeachtet der im Übrigen vorliegenden Voraussetzungen nicht in Betracht.
Der gegenteiligen, vom erkennenden Senat in seinem Beschluss vom 16.8.1999 (Az. 12 V 4031/99 A(E)) vertretenen Auffassung, sei nicht zu folgen. Diese stehe mit dem Wortlaut des § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG nicht im Einklang und entspreche auch nicht der gesetzgeberischen Intention.
Mit ihrer Klage erstreben die Kläger weiterhin den Abzug ihrer Spende im Veranlagungszeitraum 1995. Sie sind der Ansicht, dass es für die Möglichkeit eines Spendenrücktrags ausreicht, wenn einer der beiden Höchstsätze des § 10b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 EStG überschritten ist. Dies entspreche dem Gesetzeszweck und führe zu sachgerechten Ergebnissen. Der Gesetzeswortlaut gebiete die vom Finanzamt vertretene Ansicht keineswegs.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 3.3.2000 dahingehend zu ändern, dass ein Sonderausgabenabzug gemäß § 10b Abs. 1 EStG in Höhe von 250.000 DM gewährt wird.
Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung,
die Klage abzuweisen,
im Unterliegensfalle, die Revision zuzulassen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet, denn die Kläger haben einen Anspruch auf die steuerliche Berücksichtigung des geltend gemachten Sonderausgabenabzugs.
Nach § 10b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 EStG sind die ihrem Zweck nach in der Vorschrift näher beschriebenen Spenden im Veranlagungszeitraum der Zahlung wahlweise bis zu einem Höchstbetrag von 10 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte oder bis zu 2 v.T. der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Die zweite Alternative der Höchstbetragsberechnung soll nach der gesetzgeberischen Intention dem Umstand Rechnung tragen, dass ein unternehmerisch tätiger Steuerpflichtiger während des laufenden Wirtschaftsjahres Schwierigkeiten haben kann, die Höhe des erwarteten Gewinns abzuschätzen. Ferner soll eine gewisse Stetigkeit im Spendenverhalten auch bei schlechter Ertragslage ermöglicht werden (Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, Komm. z. EStG, § 10b Anm. A 385, B 631). Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger im Jahr 1996 negativ war, kam für sie faktisch nur die Höchstbetragsberechnung nach der 2. Alternative in Betracht. Nach der Berechnung des Finanzamtes, die auch die Kläger nicht in Zweifel ziehen, beläuf...