vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderbarkeit von Lohnsteueranmeldungen nach Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung
Leitsatz (redaktionell)
- Aus der bis zum 31.7.2014 geltenden Fassung des § 41 c Abs. 3 EStG ergibt sich keine Einschränkung der Änderbarkeit von Lohnsteueranmeldungen nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO mit dem Ziel der Minderung der Entrichtungsschuld.
- Die zeitliche Beschränkung der Zulässigkeit der Änderung des Lohnsteuerabzugs bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung in § 41 c Abs. 3 Satz 1 EStG betrifft nicht das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber als Entrichtungsschuldner und der Finanzbehörde.
- Erfolgen Gehalts- und Tantiemenzahlungen an einen in Großbritannien ansässigen Arbeitnehmer nach dessen Freistellung von der Arbeitsverpflichtung nicht mehr für zuvor im Inland ausgeübte Tätigkeiten, steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu.
- Gleiches gilt für eine anlässlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für entgehende zukünftige Einnahmen gezahlte Abfindung mit Versorgungscharakter.
Normenkette
EStG § 41 c Abs. 3 S. 1, § 49 Abs. 1 Nrn. 4a, 4d, § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 4b, Abs. 7, § 50 d Abs. 1 S. 2; EStG i.d.F. v. 25.07.2014 § 41 c Abs. 3 S. 4; AO § 164 Abs. 2, § 168 S. 1; DBA Großbritannien Art. 14 Abs. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 01.03.2017; Aktenzeichen VI R 6/16) |
Tatbestand
Die Klägerin hatte für ihre Angestellte Frau A Lohnsteuer einbehalten. Frau A war seit dem 9.2.2009 bei der Klägerin beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag wurde mit Wirkung zum 31.3.2012 aufgelöst. Sie gab in diesem Zusammenhang am 23.12.2011 ihren Wohnsitz im Inland auf, nachdem sie bereits zum Ende des Jahres 2011 von der Arbeit freigestellt worden war.
Frau A stellte am 9.2.2014 den Antrag, die Lohnsteueranmeldungen für den Zeitraum Januar bis März 2012 zu ändern und einbehaltene Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag für den größten Teil des laufenden Gehalts (16.726,05 Euro, einschließlich eines geldwerten Vorteils, davon 14.247,43 Euro nicht steuerbar), für einen Teil der Tantiemen (13.000,00 Euro) sowie für die im März erhaltene Abfindung (16.591,26 Euro) zu erstatten.
Sie trug vor, das laufende Gehalt für die ersten drei Monate des Jahres 2012 dürfe ganz überwiegend nicht der Besteuerung unterworfen werden, da sie, die Klägerin, zu dieser Zeit in Deutschland keine Tätigkeit (mehr) ausgeübt oder verwertet habe. Die Abfindung gehöre zwar gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu den inländischen Einkünften, aber sie sei zum Ausgleich des Verlustes zukünftiger Einnahmen gezahlt worden. Damit habe sie Versorgungscharakter und sei gemäß der Verständigungsvereinbarung mit Großbritannien vom 8.11.2011 dort zu versteuern. Die im Januar (10.500 Euro) und im März (2.500 Euro) gezahlten Tantiemen beträfen deutsche und britische Arbeitstage und seien daher aufzuteilen (zur Berechnung vgl. Anlage 1 zur Klageschrift).
Dieser Antrag wurde am 19.2.2014 abgelehnt. Der Beklagte führte aus, es sei erforderlich, dass der Arbeitnehmer eine Einkommenssteuerveranlagung beantrage (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 b i.V.m. Satz 7 EStG; H 41c.1 der Lohnsteuerrichtlinien) und im Zuge dieser Veranlagung die Versteuerung gegebenenfalls richtig gestellt werde. Dagegen legte Frau A Einspruch ein. Sie teilte mit, dass sie keinen Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung stellen wolle. Der Einspruch wurde sodann am 1.8.2014 zurückgenommen.
Daraufhin wurde am 1.8.2014 von der Klägerin der Antrag gestellt, die Lohnsteueranmeldungen für die Lohnzahlungszeiträume Januar bis März 2012 um die für Frau A zu Unrecht einbehaltene Lohnsteuer zu korrigieren. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 13.11.2012 VI R 38/11, (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2013, 929) bestätigt, dass die Festsetzung der Lohnsteuerentrichtungsschuld unter Berücksichtigung des Vorbehalts der Nachprüfung auch nach Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung geändert werden dürfe. Dem hielt der Beklagte entgegen, der BFH habe mit dem zitierten Urteil lediglich entschieden, dass nur bei vom Arbeitnehmer veruntreuten Beträgen eine Korrektur auch nach Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung möglich sei. Hingegen gehörten versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers zum Arbeitslohn und sei dies nicht im Wege der Änderung der Lohnsteueranmeldung zu berichtigen.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Ergänzend trug sie vor, dass die Arbeitnehmerin auf der Grundlage des § 50 d Abs. 1 Satz 2 EStG analog einen Erstattungsanspruch habe. Dass die Arbeitnehmerin eine Veranlagung zur Einkommensteuer nach § 50 Abs. 2 Nr. 4 b i.V.m. Satz 7 EStG beantragen könne, stehe einer Korrektur der Lohnsteueranmeldung jedoch nicht entgegen. Sie, die Arbeitgeberin, sehe sich überdies Schadensersatzansprüchen der Arbeitnehmerin wegen der Verletzung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten ausgesetzt. Der Beklagte hielt demgegenüber an seiner Auffassung fest und berief s...