Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer 1982 bis 1984
Tenor
Die Umsatzsteuerbescheide 1982 – 1984 vom 2.12.1988 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.1.1990 werden dahingehend geändert, daß die Umsatzsteuern um 58.510,38 (1982), 59.724,42 DM (1983) und 74.681,01 DM (1984) herabgesetzt werden.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des ersten Rechtszuges und des Revisionsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft zur Vermittlung von Versicherungs- und Bausparverträgen, wandte sich an Interessenten, die gegen Entgelt im Bekanntenkreis Personen zum Abschluß eines Lebensversicherungs- oder Bausparvertrages bewegen und gegen Entgelt andere Personen zum Abschluß von Versicherungsverträgen veranlassen sollten. Die aufgrund dieses Strukturvertriebssystems mit Multiplikatoreffekt gewonnenen „Vertrauens-personen” waren durch einen Mitarbeitervertrag mit der Klägerin verpflichtet, Schulungsveranstaltungen zu besuchen und potentielle Interessenten für einen Versicherungsvertragsabschluß oder eine Mitarbeit einem sog. Bezirksleiter zuzuführen.
Ein Bezirksleiter war nach einem Bezirksleitervertrag mit der Klägerin verpflichtet, seine Mitarbeiter nach Maßgabe des Organisationskonzepts und nach Anweisungen der Klägerin im Rahmen der Versicherungsvermittlung zu motivieren und sie in dem Ziel zu unterstützen, selbst Bezirksleiter zu werden, gute Erfolgsquoten auf der Basis seriöser Kunden-gespräche zu erreichen, die Kunden zu betreuen, Rückstände und Stornos zu bearbeiten und Aufforderungen der Versicherungsunternehmen zu befolgen.
Die Klägerin konnte einen Bezirksleiter bei Fehlverhalten organisatorisch freistellen und dadurch bewirken, daß ihm die Mitarbeiter nicht mehr unterstanden und daß Provisionsansprüche an die Klägerin als abgetreten galten. Sie konnte die Versicherungsunternehmen auswählen und Beginn, Ende und Inhalt des zwischen ihnen und dem Bezirksleiter zu schließenden Direktvertrages bestimmen.
Nach § 1 Nr. 4 des Bezirksleitervertrages zwischen der Klägerin und dem Bezirksleiter war geregelt, daß er Versicherungen und Bausparverträge „nicht für die Klägerin, sondern mit der Klägerin” vermittele. Er „vermittele die Versicherungen und Bausparverträge aufgrund von Direktverträgen zwischen ihm und den Produktpartnern für diese Produktpartner”. Produktpartner waren Versicherungsunternehmen, gegen die sich Provisionsansprüche des Bezirksleiters richteten. Die Klägerin mußte dem Bezirksleiter alle zur Verwirklichung des Geschäfts- und Organisationszwecks erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen und auf den Abschluß eines „Direktvertrages” mit den Versicherungsunternehmen hinwirken. In dem Vertrag des jeweiligen Bezirksleiters mit der XY Lebensversicherungs AG (XY LEBENSVERSICHERUNGS AG) übernahm der Bezirksleiter eine Vertretung „als nebenberuflicher Versicherungsvertreter gem. § 43 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und § 92b Handelsgesetzbuch (HGB)”. Außerdem wurden der unmittelbare Anspruch des Bezirksleiters auf Vermittlungsprovision und die Bemessungsgrundlage geregelt. Die Höhe der Provision wurde jedoch der Bestimmung durch die Klägerin bzw. ihrer Gesellschafterin A (Frau A) überlassen. Der Bezirksleiter nahm die Angebote auf Vertragsabschluß von den ihm zugeführten potentiellen Versicherungsnehmern entgegen und schloß Versicherungsverträge zw ischen ihnen und der XY LEBENSVERSICHERUNGS AG ab.
Die Gesellschafter der Klägerin, A und B (Herr B), hatten mit der XY LEBENSVERSICHERUNGS AG durch Schreiben vom 19. Januar 1982 eine entgeltliche Tätigkeit mit folgenden Angaben vereinbart: „Vermittlung bestandsfähiger Lebensversicherungen in angemessener Höhe durch persönliche Werbung sowie durch die von „Ihnen” (d.h. den Gesellschaftern) „anzuwerbenden und zu betreuenden Mitarbeitern unserer Gesellschaft”. Weiter wurde darin klargestellt, daß es sich um eine „Vergütung für die Betreuung der in Ihrem Organisationsbezirk zusammengefaßten Mitarbeiter” (gemeint waren die Bezirksleiter) handele. Voraussetzung für die Zuordnung von Mitarbeitern und die Gewährung der Vergütung (Superprovision) sei, daß „eine laufende Betreuung in fachlicher Hinsicht tatsächlich erfolge und aus räumlichen Gründen möglich” sei.
Die Klägerin verpflichtete sich in einem sog. „Abtretungsvertrag” vom Januar 1982, ihre Gesellschafter A und B unter Erfüllung aller Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 19. Januar 1982 mit der XY LEBENSVERSICHERUNGS AG gegen Abtretung sämtlicher Provisionsansprüche freizustellen. Ab 1. Mai 1984 setzte die XY LEBENSVERSICHERUNGS AG den Vertrag vom 19. Januar 1982 unmittelbar mit der Klägerin fort.
Nach einer Außenprüfung sah das beklagte Finanzamt die Entgelte für die geschilderte Tätigkeit der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 als steuerfrei an und wies den gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1982 bis 1984 eingelegten Einspruch z...