Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Aktivierung bestrittener Steuererstattungsansprüche – Maßgeblichkeit der Veröffentlichung des die zugrunde liegende Rechtsfrage zugunsten des Steuerpflichtigen entscheidenden BFH-Urteils im Bundessteuerblatt
Leitsatz (redaktionell)
Bestrittene Umsatzsteuererstattungsansprüche für die Jahre 1996 bis 2001 und die hierauf bis zum 31.12.2005 angefallenen Erstattungszinsen, die auf dem EuGH-Urteil vom 17.02.2005 Rs. C-453, 462/02 - Linneweber und Akritidis - (Slg. 2005, I-1131) und dem nachfolgenden BFH-Urteil vom 12.05.2005 V R 7/02 (BFHE 2010, 164, BStBl II 2005, 617) zur Steuerfreiheit von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten beruhen, sind aufgrund der vorbehaltlosen Veröffentlichung des die zugrunde liegende Rechtsfrage zugunsten des Steuerpflichtigen entscheidenden BFH-Urteils im BStBl II vom 30.09.2005 zum Bilanzstichtag 31.12.2005 zu aktivieren.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4; RL 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. f
Tatbestand
Der Kläger erzielte u. a. aus dem Betrieb von Geldspielautomaten Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Die Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielautomaten wurden zunächst der Umsatzsteuer unterworfen.
Am 15.11.2001 (für die Umsatzsteuer der Jahre 1996 bis 1999) und am 27.11.2003 (für die Jahre 2000 und 2001) beantragte der Kläger im Hinblick auf die europarechtlichen Bedenken gegen die in Deutschland geltende Rechtslage, diese Umsätze steuerfrei zu belassen und die - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden - Umsatzsteuer-Festsetzungen entsprechend herabzusetzen. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) lehnte die Änderungsanträge am 09.02.2004 ab und brachte das anschließende Einspruchsverfahren am 10.03.2004 zum Ruhen.
Mit Urteil vom 17.02.2005 Rs. C-453, 462/02 - Linneweber und Akritidis - (Slg. 2005, I-1131) entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf entsprechende Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs (BFH), Art. 13 Teil B Bust. F der Richtlinie 77/388/EWG stehe nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen die Veranstaltung von Glücksspielen oder der Betrieb von Glücksspielgeräten durch sonstige Wirtschaftsteilnehmer nicht von der Umsatzsteuer befreit sei. In einem der Revisionsverfahren, die zur Anrufung des EuGH geführt hatten, entschied der BFH nachfolgend mit Urteil vom 12.05.2005 V R 7/02 (BFHE 2010, 164, BStBl II 2005, 617), ein Betreiber von Geldspielautomaten könne sich für die Umsatzsteuerfreiheit seiner Umsätze unmittelbar auf die Richtlinie 77/388/EWG berufen. Die Finanzverwaltung hat das genannte BFH-Urteil vorbehaltlos in der am 30.09.2005 ausgegebenen Nr. 15 des Jahrgangs 2005 des BStBl II veröffentlicht.
Der Kläger bezifferte seine Erstattungsansprüche für die Jahre 1996 bis 2001 in dem anhängigen Einspruchsverfahren mit mehreren Schreiben, deren erstes vom 16.02.2006 datiert. Das FA erließ - für das Jahr 1998 nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung hinsichtlich der zu erstattenden Beträge - nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerbescheide, aus denen sich die folgenden Erstattungsbeträge ergaben:
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Der Kläger stellte seinen Jahresabschluss für das Streitjahr 2005 am 26.04.2007 auf. Darin berücksichtigte er keine Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche für die Jahre 1996 bis 2001.
Demgegenüber erfasste das FA in den angefochtenen Bescheiden über Einkommensteuer sowie die Festsetzung und Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags für 2005 die genannten Erstattungsansprüche einschließlich des Gesamtbetrags der Erstattungszinsen gewinnerhöhend. Hierfür berief es sich auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 05.07.2006 (BStBl I 2006, 418). Gegenläufig erhöhte es die Gewerbesteuer-Rückstellung.
Der Einspruch blieb im hier interessierenden Punkt ohne Erfolg. Das FA führte aus, der Kläger habe spätestens mit der vorbehaltlosen Veröffentlichung des BFH-Urteils im BSBl II vom 30.09.2005 von der Anerkennung seiner Erstattungsansprüche durch das FA ausgehen können. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätten die Ansprüche auch Eingang in die Bewertung des Betriebs durch einen potenziellen Erwerber gefunden. Demgegenüber sei der Erlass geänderter Steuerbescheide für die Aktivierung von Steuererstattungsansprüchen nicht zwingend erforderlich, weil keine formale, sondern eine wirtschaftliche Betrachtung geboten sei.
Im Klageverfahren beantragte der Kläger, den Einkommensteuerbescheid für 2005, den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 sowie den Bescheid über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags 2005, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2008, mit der Maßgabe zu ändern, dass die für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 erstatteten Umsatzsteuerbeträge nebst Zinsen nicht als gewerbliche Betriebseinnahmen des Veranlagungszeitraums 2005 erfasst werden.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Der erkennende Senat gab der Klage zunächst ...