Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsverlust aus der Beteiligung an einer insolventen GmbH – Realisierungszeitpunkt vor Abschluss des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
- Der Realisierungszeitpunkt eines Auflösungsverlustes aus GmbH-Beteiligung kann ausnahmsweise vor Abschluss des Insolvenzverfahrens liegen, wenn die Möglichkeit der Fortführung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, deren Vermögenslosigkeit bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses feststeht und weiterhin bekannt ist, in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten und Aufgabekosten für den Gesellschafter anfallen werden (vgl. BFH-Rspr.).
- Ein zu einem späteren Zeitpunkt gestellter Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger gem. § 213 InsO ist für den Zeitpunkt der Verlustrealisierung ohne Bedeutung, wenn aus Ex-ante-Sicht eine solche Fortsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen erschien.
- Gehören die Anteile an der GmbH zum Betriebsvermögens eines Einzelunternehmens, dessen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt wird, kommt eine aufwandswirksame Teilwert-Abschreibung für diese Beteiligung nur im Zeitpunkt ihres endgültigen Verlusts bzw. Untergangs in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 5.11.2015 III R 12/13, BStBl II 2016, 420).
- Die gleichen Grundsätze gelten für den Verlust betrieblicher Darlehensforderungen.
- Offen bleibt, ob dieser Zeitpunkt nach den Grundsätzen des § 17 EStG zu bestimmen ist oder erst bei Abschluss des Insolvenzverfahrens eintritt.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1-2, 4; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4; InsO § 213; EStG § 4 Abs. 3 S. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger war zur Hälfte am Stammkapital der am 30.6.1988 gegründeten B GmbH (GmbH) beteiligt. Darüber hinaus betrieb er ein gewerbliches Einzelunternehmen, in dessen Rahmen er…vermietete, und zwar u.a. an die GmbH.
Im Jahr 2005 führte der Beklagte (das Finanzamt -FA--) eine Betriebsprüfung (BP) bei der GmbH für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2001 durch. Für das Ergebnis der BP wird auf den Bericht vom 2.12.2005 Bezug genommen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Z-Stadt vom 19.6.2008 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter führte in einem Bericht vom 17.7.2008 aus, dass die GmbH spätestens ab dem 31.12.2000, wahrscheinlich aber schon früher bilanziell und rechtlich überschuldet gewesen sei. Stille Reserven hätten, entgegen der Darstellung im Jahresabschluss auf den 31.12.2002, nicht existiert. Eine Fortführung des Unternehmens sei ausgeschlossen. Der Geschäftsbetrieb sei im April 2007 eingestellt worden. Nennenswerte liquide Mittel seien nicht vorhanden.
Im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens verhandelte der Kläger mit den Gläubigern der GmbH über einen teilweisen Forderungsverzicht. Mit Schreiben vom 20.6.2013 beantragte die GmbH die Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger gem. § 213 der Insolvenzordnung (InsO). Da jedoch ein bestimmter Gläubiger der GmbH nicht zu einem Forderungsverzicht bereit war und am 14.8.2013 mitgeteilt hatte, dass er keine Einverständniserklärung abgeben werde, kam es nicht zu einer Einstellung des Insolvenzverfahrens.
Seine Einkommensteuererklärung für 2012 gab der Kläger im März 2015 ab. Darin erklärte er einen Verlust aus der Auflösung der GmbH gem. § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 591.820,91 €. Das FA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26.2.2016 mit, dass nicht erkennbar sei, warum der Verlust in zeitlicher Hinsicht in 2012 zu berücksichtigen sei. Auf das Antwortschreiben des Klägers vom 8.4.2016 wird Bezug genommen. Im Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 27.4.2016 lehnte das FA die Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes ab.
Die Einkommensteuererklärung für 2013 gab der Kläger im März 2015 ab. Das FA veranlagte ihn mit Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 27.4.2016. Am selben Tag ergingen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide für 2015 und 2016.
Gegen die Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2013 sowie die Vorauszahlungsbescheide 2015 und 2016 vom 27.4.2016 legte der Kläger Einspruch ein. Er beantragte, die Einkommensteuer für 2012 und 2013 auf 0 € festzusetzen sowie wegen eines sich ergebenden Verlustvortrags die Vorauszahlungen für 2015 und 2016 aufzuheben.
Mit Schreiben vom 22.7.2016 teilte das FA dem Kläger mit, dass es nach einer erneuten Prüfung unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen davon ausgehe, dass der Verlust in 2008 hätte geltend gemacht werden müssen, da bereits zu diesem Zeitpunkt festgestanden habe, dass der Kläger keine Rückzahlungen auf sein Stammkapital mehr erhalten würde. Auf das Antwortschreiben des Klägers vom 12.9.2016 wird Bezug genommen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22.3.2017 wies das FA die Einsprüche unter Herabset...