Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelmäßige Arbeitsstätte(n) eines angestellten Gebietsleiters
Leitsatz (amtlich)
Sucht ein angestellter Gebietsleiter die ihm unterstellten Zweigniederlassungen seines Arbeitgebers mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit (hier jede einzelne etwa 40 Mal jährlich) auf, um dort einen Teil seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu erbringen, so ist jede einzelne Betriebsstätte eine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG. Die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zu den einzelnen Arbeitsstätten sind daher nicht nach Dienstreisegrundsätzen, sondern als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Werbungskosten zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG 1987 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Sätze 1, 2 Buchst. a; LStR 1987 Abschn. 25 Abs. 2 S. 1
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob Fahrten des Klägers zu Filialen seiner Arbeitgeberin Dienstreisen i. S. von Abschn. 25 Abs. 2 Satz 1 Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1987 darstellen.
Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1982 bei der … GmbH (D1) als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Seine Aufgabe war es zunächst, als Repräsentant im Raum D1 und K. die Vermietung von Autos an Selbstfahrer zu vermarkten (vgl. Arbeitsvertrag vom 4. Januar 1982, Bl. 77 f. d. A.). Mit Wirkung vom 1. Juli 1982 wurde er zum Filialleiter der Filiale D1 ernannt. Wegen des damit verbundenen Aufgabengebiets wird auf das Schreiben der Arbeitgeberin von diesem Tage verwiesen (Bl. 79 d. A.). Der Kläger wurde sodann mit Wirkung vom 1. April 1986 zum Gebietsleiter für das Gebiet der Filialen D1, M1 und M2 ernannt. Die Filialen dieses Gebiets wurden ihm unterstellt. In einem Schreiben vom 7. März 1986 sind Seine Aufgaben als Gebietsleiter wie folgt umschrieben:
I. Personalbereich
Die Dienstleistung der … GmbH erfordert eine intensive Beratung des Kunden und eine persönliche Zusammenarbeit mit dem Absatzmittler. Dies verlangt eine personalintensive Vertriebsarbeit. Die Motivation aller Mitarbeiter, ihre Ausbildung und Anleitung sind wichtigste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Filialarbeit.
- Mitwirkung bei der Personalsuche und Einstellung.
- Durchführung der Einarbeitung und Ausbildung in den Filialen.
- Durchführung und Organisation von regelmäßigen Personalgesprächen.
- Unterstützung der Arbeit der Nacht- und Bereitschaftsdienste – besonders die wechselseitige wöchentliche Unterstützung als „Pate”.
- Durchführung der Urlaubsplanung unter Beachtung der Ausschlußregelung.
II. Marktbereich
Die Akquisition von Absatzmittlern ist die grundsätzliche Voraussetzung der Verkaufstätigkeit. Die Beobachtung der Aktivitäten der Mitbewerber und die Beobachtung der Geschäftsverhältnisse der Absatzmittler gehören zu den wesentlichen Aufgaben. Die Organisation, Überwachung und die Durchführung des Außendienstes ist im „Tagesgeschäft” die wichtigste Tätigkeit eines Gebietsleiters. Zufriedene Absatzmittler können aber nur durch eine fachgerechte und freundliche Kundenberatung erreicht werden.
- Markt- und Mitbewerberbeobachtung.
- Überwachung der Führung der Filialkundenkartei.
- Kontrolle des Außendienstes mit Beachtung von Tourenplänen, Geburtstagskalender, Durchführung von Aktionen.
- Eigene Außendienstaktivität.
- Autokäufe nach Maßgabe des Vertriebsleiters.
- Durchführung oder Organisation von Bewirtungen.
III. Filialbereich
Eine saubere und gut organisierte Filiale trägt in hohem Maße zum Umsatzerfolg bei. Die Verkaufsberatung darf keine Kundenabfertigung sein, sondern muß mit hohem Nutzwert für den Kunden verbunden sein. Die pünktliche und saubere Erledigung von Verwaltungsaufgaben ist nach außen die „Visitenkarte” des Unternehmens.
- Organisation und Einsatz der Mitarbeiter des Filialgebietes.
- Überwachung der Fuhrparkarbeit der Filialen.
- Förderung einer freundlichen Atmosphäre und Überwachung der Einhaltung der Richtlinien der … GmbH.
- Stichprobenhafte Kontrolle der Verwaltungsarbeit in der Filiale.
- Überwachung der Mahnarbeit der Filiale, gegebenenfalls Mithilfe.
Die Kompetenz des Gebietsleiters umfaßt die Vertretung der Filiale nach den Richtlinien der … GmbH gemeinschaftlich mit dem Filialleiter oder einem Vorgesetzten. Er zeichnet für die Firma „i. A.”. Er ist gegenüber allen Filialmitarbeitern seines Gebietes weisungsberechtigt. Es wird selbst vertreten durch den Vertriebsleiter.
Ab dem 1. Oktober 1988 wurde das Gebiet um die Filiale D2 erweitert. Seit dem 16. Oktober 1990 ist der Kläger Vertriebsleiter. Ihm unterstehen seit dem sämtliche 12 Filialen der … GmbH.
In einem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 25. Januar 1994 hat der Kläger u. a. erklärt, daß er sich, wenn er die Filialen aufsuche, direkt dorthin begebe und nicht noch zuvor die Zentrale (Filiale D1) ansteuere. Er benutze für die Fahrten sein eigenes Fahrzeug. Ein kleines Frühstück sowie das Abendessen nehme er zu Hause ein, vormittags und mittags esse er auswärts. Die Filialen und die Zentrale verfügten nicht über Kantinen. Die Arbeitgeberin erstatte weder die Fahrtaufwendungen noch...