Entscheidungsstichwort (Thema)
Möglichkeit des Abzweigens von Kindergeld an einen Minderjährigen
Leitsatz (redaktionell)
- Der Abzweigung des Kindergeldes im Falle eines mangels Leistungsfähigkeit nicht barunterhaltspflichtigen Berechtigten steht nicht entgegen, dass das Kind minderjährig ist. Dies gilt zumindest für den Fall, dass für den Minderjährigen ein Vormund bestellt ist, dem auch die Vermögensfürsorge obliegt.
- Eine Abzweigung scheidet aus, wenn die von dem Kindergeldberechtigten erbrachten Unterhaltsbeiträge der Höhe nach dem Kindergeld entsprechen oder dieses übersteigen.
- Über die Abzweigung entscheidet die Familienkasse im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens.
Normenkette
EStG § 74 Abs. 1; BGB §§ 1601, 1603, 1606 Abs. 3 S. 2, § 1612; FGO § 101 S. 2, § 102; AO § 5
Streitjahr(e)
2007
Tatbestand
Streitig ist, ob das Kindergeld an den minderjährigen Kläger abgezweigt werden kann.
Der Kläger ist am 11.08.1991 geboren. Seiner Mutter wurde die elterliche Sorge durch Entscheidung des Familiengerichts vom 15.04.2005 (91 F 6/05) entzogen. Zum Vormund wurde Frau Rechtsanwältin A. gem. § 1791 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestellt. Diese versorgt den Kläger im Rahmen der ihr allein zustehenden Vertretungsmöglichkeit auch finanziell. Der Kläger wohnt bei seiner Mutter, auf deren Konto das Kindergeld gezahlt wird.
Mit Schreiben vom 07.11.2007, eingegangen bei der Beklagten am 12.11.2007, beantragte der Vormund als gesetzliche Vertreterin, das Kindergeld in Höhe von 166,50 EUR auf das Konto des Klägers zu überweisen. Den Antrag begründete sie damit, dass es immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Zahlung von Schokotickets, Schulbüchern, Bekleidung usw. komme. Aus diesem Grund habe sie mit dem Amtsgericht A-Stadt abgesprochen, dass das Kindergeld auf das Konto des Klägers überwiesen werden solle.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.11.2007 ab. Der Kläger lebe im Haushalt der kindergeldberechtigten Mutter. Durch die Haushaltsaufnahme werde dem Kind in ausreichender Höhe Unterhalt gewährt. Die Entscheidung beruhe auf § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Vertreterin im Namen des Klägers fristgerecht Einspruch ein.
Zur Begründung trug sie vor, die Abzweigung sei dringend erforderlich, da die Kindesmutter das Kindergeld nicht für die notwendigen Belange des Kindes verwende. Der Kläger besuche seit Beginn des Schuljahres die Emil-Rentmeister-Schule, Städtische Gemeinschaftshauptschule in A-Stadt. Zu Beginn des Schuljahres habe festgestanden, dass der Kläger 50 EUR (38 EUR Anteil für Lehrmittel und 12 EUR Kopiergeld) an die Schule zahlen müsse. Die Aufforderung sei sowohl schriftlich der Kindesmutter als auch dem Kläger mitgeteilt worden. Sie habe die Kindesmutter und den Kläger mehrfach aufgefordert, den Betrag zu begleichen. Trotz der Aufforderung, die auch im Beisein des Vertrauenslehrers, Herrn Kirchner, bei einem Besprechungstermin in Gegenwart der Kindesmutter abgegeben worden sei, zahle die Kindesmutter nicht. Der Kläger sei deshalb am 12.11.2007 von der weiteren Teilnahme am Unterricht durch seinen Klassenlehrer, Herrn Felten, suspendiert worden. Der Kläger habe die Schule nur weiterbesuchen können, da sie die 50 EUR aus ihrem Privatvermögen eingezahlt habe.
Zum Nachweis reichte die Vertreterin ein Schreiben des Klassenlehrers ein, dem der geschilderte Sachverhalt zu entnehmen ist, sowie eine Quittung der Schule über 50 EUR.
Bereits zu Beginn des Jahres habe es erhebliche Schwierigkeiten gegeben. Die Kindesmutter habe dem Kläger für die Fahrten zur Nachhilfe kein Fahrgeld gegeben. Die Fahrtkosten seien von ihr aus ihrem Privatvermögen gezahlt worden. Die Kindesmutter weigere sich auch, dem Kläger das Schokoticket zu bezahlen, um die Wegstrecke A-Stadt-1 nach A-Stadt-2 bewältigen zu können. Das Schoko-Ticket sei schließlich von ihr beantragt und für das Jahr 2007 gezahlt worden. Das Ticket müsse nunmehr verlängert werden und die Kosten von dem Konto des Klägers abgebucht werden. Abbuchungen vom Konto der Mutter seien auf Grund von Pfändungen nicht möglich. Da auf Grund der desolaten finanziellen Verhältnisse nicht davon auszugehen sei, dass die Mutter monatliche Teilbeträge in Höhe von 70 EUR auf das Konto des Klägers überweisen werde, solle das Kindergeld auf das Konto des Klägers überwiesen werden und bis auf einen Teilbetrag von 70 EUR auf das Konto der Kindesmutter weitergeleitet werden. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die Kindesmutter für den Unterhalt des Klägers Leistungen von der ARGE A-Stadt erhalte.
Die Vertreterin legte außerdem einen Beschluss des Amtsgericht A-Stadt vom 26.11.2007 (97 VII P 4004) vor, nach dem ihr eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt wurde, das Kindergeld für den Kläger gem. § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG zu erhalten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 08.01.2008 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers zurück.
Zur Begründung führte sie aus, das Kindergeld stehe der Kindesmutter gem. § 64 EStG zu. Die Voraussetzungen für e...