Entscheidungsstichwort (Thema)

FGO, AO, InsO: Aufrechterhalten eines Insolvenzantrages bei vollständigem Erfüllung der Steuerforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soll trotz Erfüllung der Steuerforderung ein Insolvenzantrag nach der Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 1 S. 2 InsO aufrecht erhalten werden, muss das Fortbestehen des Eröffnungsgrundes glaubhaft gemacht werden.

2. Die Fortführung des Antrages kann unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft sein, wenn der Steuerschuldner eine Generalbereinigung seiner wirtschaftlichen Situation eingeleitet hat und der Finanzbehörde zur Sicherung künftiger Ansprüche die Eintragung einer Sicherungsgrundschuld anbietet.

 

Normenkette

InsO § 14 Abs. 1 S. 2; FGO § 114 Abs. 1 S. 2, § 102

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt die Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Der Antragsteller betreibt im Hamburger Hafen ein Schifffahrtsunternehmen (A), das u.a. Hafenrundfahrten durchführt. Ferner hält er verschiedene Unternehmensbeteiligungen.

Am 19. Februar 2019 stellte der Antragsgegner beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. An diesem Tage bestanden rückständige Steuerforderungen des Antragsgegners in Höhe von xxx.xxx € (Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Einkommensteuer nebst Nebenleistungen aus den Jahren 2017 und 2018). Vollstreckungsmaßnahmen seit dem ... Oktober 2017 waren erfolglos geblieben, zuletzt ein Vollstreckungsversuch am ... Januar 2019 in den Geschäftsräumen des Antragstellers. Zugleich erbat der Antragsgegner, dem Antragsteller für die Dauer des Insolvenzverfahrens Zahlungen an ihn als Gläubiger im Sinne von § 21 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) zu untersagen. Mit Beschluss vom 26. April 2019 (xxx-1) beauftragte das Amtsgericht Rechtsanwalt B mit der Erstattung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des Sachverhalts nach§ 5 InsO .

Zwischenzeitlich veräußerte der Antragsteller mit notariellem Kaufvertrag vom ... 2019 eine ihm gehörende Eigentumswohnung zum Kaufpreis von xxx.xxx €. Aus dem Kaufpreis wurden Verbindlichkeiten gegenüber der Versicherung C sowie eine Restverbindlichkeit gegenüber der Bank D in Höhe von insgesamt xxx.xxx € beglichen. Als frei verfügbar verblieb ein Betrag von xxx.xxx €. Unter Hinweis hierauf und den Umstand, dass die Steuerschuld auf xxx.xxx € (incl. xx.xxx €) zurückgeführt worden sei, beantragte der Antragsteller unter dem 7. März 2019 beim Antragsgegner, den Insolvenzantrag zurückzunehmen. In der Folgezeit glich der Antragsteller sämtliche dem Insolvenzantrag zugrundeliegenden Forderungen aus.

Am 17. Mai 2019 unterbreitete der Antragsteller das Angebot, eine Grundschuld in Höhe von xxx.xxx € an seiner eigengenutzten Eigentumswohnung im Wert von rd. x.xxx.xxx € zur Sicherung künftiger Steueransprüche zu bewilligen. Im Übrigen bestünden auch gegenüber Sozialversicherungsträgern aus Arbeitnehmerverträgen keine Verbindlichkeiten mehr; die laufenden Zahlungsverpflichtungen würden fristgerecht erfüllt. Mit den wesentlichen Gläubigern seien Stundungsabreden getroffen worden; die kreditfinanzierenden Banken bestätigten, dass keine Zahlungsrückstände bestünden (...). Dies lehnte der Antragsgegner am 6. Juni 2019 ab. Nach aktueller Lage sei nicht eindeutig erkennbar, dass sowohl in naher als auch in ferner Zukunft sämtliche Forderungen getilgt würden bzw. die Grundschuld ausreiche, um künftig entstehende Forderungen vollständig auszugleichen. Tags zuvor hatte der Antragsgegner gegenüber dem Insolvenzgericht mitgeteilt, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz der Tilgung der Steuerschulden aufrecht halten zu wollen. Dabei ging der Antragsgegner u.a. fälschlich davon aus, dass erneut xx.xxx € Rückstände aufgelaufen seien.

Am 21. Juni 2019 hat der Antragsteller bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung dergestalt beantragt, dem Antragsgegner aufzugeben, den Insolvenzantrag zurückzunehmen.

Zwar treffe es zu, dass er, der Antragsteller, in der Vergangenheit seinen Steuerzahlungspflichten aufgrund der saisonalen Abhängigkeit nur schleppend nachgekommen sei. Mitursächlich dafür sei aber auch, dass die von ihm eingesetzten Schiffe aufgrund strengerer Sicherheitsanforderungen mit einem Aufwand von über x.xxx.xxx € in den vergangenen Jahren hätten umgerüstet werden müssen.

Nunmehr seien alle Steuerrückstände ausgeglichen und der Insolvenzantrag zurückzunehmen. Sofern sich der Antragsgegner auf § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO berufe, habe er dessen Voraussetzungen, das Fortbestehen des Insolvenzgrundes, nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr habe er, der Antragsteller, seine Zahlungsfähigkeit hergestellt. Ebenso wenig habe der Antragsgegner eine konkrete Gefahr dargetan, dass die weitere wirtschaftliche Tätigkeit zu neuen Steuerrückständen führen werde. Im Übrigen habe er die Bewilligung der werthaltigen Sicherheitsgrundschuld angeboten, die der Antragsgegner ermessensfehlerhaft abgelehnt habe.

Schließlich liege auch ein Anordnungsgrund vor. Durch eine mögliche Eröffnung des Inso...

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