Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Keine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn bis zum Zeitpunkt des Wegfalls der Rechtshängigkeit kein formgerechter Antrag unter Angabe des Streitverhältnisses vorliegt.
Normenkette
FGO § 79a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4, § 142; ZPO §§ 114, 116-117, 119
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für eine inzwischen zurückgenommene Klage auf Einsicht in die Vollstreckungsakte der ... Warenhandelsgesellschaft mbH (Gemeinschuldnerin).
Der Kläger wurde am 15.06.2004 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bestellt. Am 31.08.2004 beantragte der Kläger Akteneinsicht in die beim Beklagten geführte Vollstreckungsakte der Gemeinschuldnerin, was der Beklagte unter dem 26.01.2005 ablehnte.
Den hiergegen erhobenen Einspruch vom 28.02.2005 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 29.08.2005 zurück. Das Anliegen des Klägers, nämlich die Überprüfung von Forderungen, die zur Insolvenztabelle der Gemeinschuldnerin angemeldet worden seien, hätte auch auf anderem Wege als durch die Akteneinsicht verfolgt werden können.
Der Kläger hat am 30.09.2005 Klage erhoben und den vorliegenden Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Die Klage wurde nicht begründet und mit Schreiben vom 28.11.2005 wieder zurückgenommen.
Zur Begründung des PKH-Antrags führt der Kläger aus, dass die Verfahrenskosten nicht aus der verwalteten Masse haben aufgebracht werden können, zumal bereits Masseunzulänglichkeit i.S.v. §§ 208 ff. InsO angezeigt worden sei. Darüber hinaus sei es den wirtschaftlich Beteiligten nicht zumutbar gewesen, die Prozesskosten zu übernehmen.
Der Kläger beantragt, Prozesskostenhilfe für die Klage vom 30.09.2005 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt, den Antrag abzulehnen.
Die Klage sei mutwillig i.S.d. § 114 ZPO erhoben worden, weil dem Kläger stets Auszüge aus den Akten mitgeteilt worden seien. Im Übrigen würde auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung vom 29.08.2005 verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird einer Partei kraft Amtes - hier: dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter - PKH bewilligt, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zumutbar ist, diese Kosten zu tragen. Darüber hinaus muss die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und darf nicht mutwillig erscheinen, § 116 S. 2 i.V.m. § 114 ZPO. Die Bewilligung von PKH erfolgt für jeden Rechtszug gesondert - § 119 ZPO - und wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 1990, III B 62/89, BFH/ NV 1991, 260; vom 07. August 1984, VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838). Nach Wegfall der Rechtshängigkeit ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich ausgeschlossen. Die Versagung der rückwirkenden Bewilligung von PKH gilt nur dann nicht, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt, hierüber aber nicht entschieden worden ist, und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung von PKH Erforderliche getan hat, um eine Entscheidung des Gerichts über seinen Antrag herbeizuführen (vgl. FG Köln, Beschluss vom 25. September 2002, 15 K 3367/00 , EFG 2003, 108; OVG Weimar, Beschluss vom 03. Dezember 1997, 3 ZO 619/95, NVwZ 1998, 866; BFH-Beschluss vom 07. August 1984, VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; BGH-Beschluss vom 06. Dezember 1984, VII ZR 223/83, NJW 1985, 921). In diesen Fällen kann auch nach Wegfall der Rechtshängigkeit PKH bewilligt werden. Die Bewilligung erfolgt jedoch maximal bis zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals ein formgerechter Antrag vorgelegen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Mai 1990, III B 62/89, BFH/ NV 1991, 260; BGH-Beschluss vom 30. September 1981, IVb ZR 694/80, NJW 1982, 446), d.h. das Streitverhältnis unter Angabe der Beweise dargestellt und eine vollständige Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt worden ist, § 117 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO.
Nach diesen von dem erkennenden Gericht geteilten Grundsätzen der Zivil- und Steuerrechtsprechung war in dem vorliegenden Verfahren kein Raum für eine rückwirkende Bewilligung von PKH. Denn der streitige Antrag war bis zum Zeitpunkt der Klagerücknahme nicht formgerecht erfolgt und konnte als solcher keine positive Entscheidung des Gerichts herbeiführen. Insofern fehlte es dem Antrag, der auf die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse beschränkt war, an der Darstellung des Streitverhältnisses, ohne die eine Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage nicht möglich war. Die hierzu erforderlichen Ausführungen wurden auch nicht im Laufe des Verfahrens - und vor Wegfall der Rechtshängigkeit durch Klagerücknahme - nachgeholt.
Das Gericht entscheidet g...