Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Aufschubzinsen
Leitsatz (amtlich)
Der Verfall einer Sicherheit, der Voraussetzung für die Festsetzung einer Zinsanforderung nach Art. 29 Abs. 3 VO Nr.2220/85 ist, kann auf einer behördlichen oder gesetzlichen Anordnung beruhen.
Normenkette
EWGV 2220/85 Art. 29 Abs. 1, 3; EWGV 565/80 Art. 6
Tatbestand
I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Zinsbescheides ohne Sicherheitsleistung.
Die Antragstellerin meldete im April 1997 1.008 Kartons gefrorenes Rindfleisch der Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 3090 9400 zur Ausfuhr nach Polen an. Einen Anteil von 480 Kartons dieser Warensendung hatte sie im März 1997 unter Inanspruchnahme von vorfinanzierter Ausfuhrerstattung in die Erstattungslagerung überführen lassen. Nachdem die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg in mehreren Untersuchungszeugnissen und Gutachten aus dem Frühjahr 1997 festgestellt hatte, dass nur ein Teil der untersuchten Fleischstücke einen Gehalt an magerem Rindfleisch von 50 GHT oder mehr aufwies, forderte der Antragsgegner mit Bescheid vom 16.2.1998 einen Teil der vorfinanzierten Ausfuhrerstattung zuzüglich eines Zuschlags von 20 % zurück. Der Bescheid enthielt zudem den Hinweis, dass bei ausbleibender Zahlung die Sicherheit gemäß Art. 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 in entsprechender Höhe in Anspruch genommen werde. Der Bescheid vom 16.2.1998 - in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26.6.2000 - ist bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 26.11.2003 setzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin unter Hinweis auf Art. 29 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 Aufschubzinsen in Höhe von EUR 394,23 für den Zeitraum 1.1.1999 bis 3.9.2000 fest. Die Antragstellerin erhob gegen den Bescheid vom 26.11.2003 Einspruch und beantragte zugleich, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen, was der Antragsgegner mit Bescheid vom 1.3.2004 ablehnte; auf den Inhalt des Bescheides vom 1.3.2004 wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat am 29.3.2004 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und beantragt unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 31.3.2004 - IV 41/04 -,
die Vollziehung des Bescheides vom 26.11.2003 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Der zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes geklärt, dass Rechtsgrundlage für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in Sachen der Ausfuhrerstattung nicht Art. 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 302/1), sondern das nationale Recht ist (BFH, Urteil vom 23.8.2000 - VII 145/00 -, juris). Denn die Gewährung von Ausfuhrerstattungen ist nicht Teil der Regelung des Zollkodex für die Ausfuhr von Gemeinschaftswaren, sondern hat ihre Grundlage in den Verordnungen zur Einführung gemeinsamer Marktorganisation für verschiedene Agrarerzeugnisse (vgl. EuGH, Urteil vom 17.7.1997 - Rs. C 130/95 -, in: EuGHE 1997-/, I-4295, Rz. 39). Diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der der beschließende Senat folgt, findet in der Sache eine Bestätigung durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 11.1.2001 (- Rs. C 1/99 -, in: HFR 2001, S. 382 ff). Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 11.1.2001 befunden, Art. 244 ZK sei so auszulegen, dass er nur den Zollbehörden die Befugnis einräume, den Vollzug einer angefochtenen Entscheidung auszusetzen; diese Befugnis schränke jedoch nicht die Befugnis der gemäß Art. 243 ZK mit einem Rechtsbehelf befassten Gerichte ein, eine solche Aussetzung anzuordnen, um ihrer Pflicht zur Sicherstellung der vollen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nachzukommen (EuGH, Urteil vom 11.1.2001, a.a.O.). Im Streitfall beurteilt sich daher die begehrte finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung nach Maßgabe des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und 3 FGO.
2. Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Danach soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Durch die Verknüpfung mit einer Sicherheitsleistung sollen Steuer- und Abgabenausfälle bei einem für den Steuer- bzw. Abgabepflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Eine Aussetzung der Vollziehung ohne S...