Entscheidungsstichwort (Thema)
EuGH-Vorlage: Einreihung von Bienenwachs, das im Ausfuhrland eingeschmolzen wurde und von dem Fremdstoffe teilweise abgeschieden wurden
Leitsatz (amtlich)
Vorlagefragen:
1. Sind die Erläuterungen zur Unterposition 1521 9099 der Kombinierten Nomenklatur anwendbar, soweit darin das Wort "geschmolzen" verwendet wird?
2. Falls die erste Vorlagefrage verneint werden sollte: Ist der Begriff "roh" im Sinne der Unterposition 1521 9091 der Kombinierten Nomenklatur so auszulegen, dass Bienenwachs, das im Ausfuhrland eingeschmolzen worden ist und von dem anlässlich des Einschmelzens Fremdkörper mechanisch abgeschieden wurden, wobei noch Fremdkörper im Bienenwachs verbleiben, in diese Unterposition einzureihen ist?
Normenkette
KN Unterposition 1521 9091; KN Unterposition 1521 9099
Nachgehend
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten um die Einreihung von Bienenwachs.
1. Einfuhranmeldung
Die Klägerin, die mit natürlichen Rohstoffen handelt, meldete am 7. Januar 2015 800 Sack "Chinese beeswax yellow slabs" (im Folgenden: "Ware" oder "in Rede stehende Ware") zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Nach Entnahme einer Warenprobe, von der sich ein Stück in der Gerichtsakte befindet, setzte der Beklagte vorläufig auf der Grundlage der angemeldeten Unterpositionen 1521 9091 KN keinen Zoll fest.
2. Warenbeschreibung
Die in Rede stehende Ware hat folgende Eigenschaften: Es handelt sich um Bienenwachs, das im Ausfuhrland eingeschmolzen worden ist und nach dem Erstarren ausgeführt wurde (im Folgenden als "geschmolzenes Wachs" bezeichnet). Die Ware ist nicht für den Endverwender aufgemacht und besteht aus nach Bienenwachs riechenden, honiggelben, schnittfesten, unregelmäßigen, beige-gelblichen Platten (ca. 25 cm x 30 cm x 2,5 cm) mit Rissen und Strukturen, die beim Erstarren von eingeschmolzenem Wachs entstehen. Sie hat wenige äußerlich anhaftende, dunkle Verunreinigungen. Nicht aufklärbar ist, ob es sich hierbei um Fremdstoffe handelt, die sich vor dem Einschmelzen im Wachs befanden, oder ob es sich um Verschmutzungen der Formen handelt, in denen das flüssige Wachs erkaltet ist. Mit bloßem Auge sind keine Einschlüsse von Fremdkörpern im Wachs sichtbar. Beim Einschmelzen eines Teils der Warenprobe entstand eine leicht trübe, orange-gelbe Schmelze mit wenig Bodensatz und wenigen fein verteilten Schwebeteilchen. Bei dem Bodensatz und den Schwebeteilchen handelt es sich nicht um geschmolzenes Wachs, sondern um Fremdkörper.
Die in Rede stehende Ware ist das Wachs, aus dem Bienenwaben bestehen. In den Bienenwaben befinden sich - abhängig vom Alter, Standort und Nutzung der Waben - mehr oder weniger viele Fremdstoffe (z. Bsp. tote Bienen, abgestorbene Puppen, Pollen, Speichel- und Honigreste sowie Erde, Sand, Staub und Harze).
a) Behandlung im Exportland
Bienenwachs wie die in Rede stehende Ware wird im Exportland wie folgt behandelt: Nachdem der Honig aus den Waben geschleudert wurde, werden die Waben - meist von den Imkern oder von Zwischenhändlern - eingeschmolzen, um das Wachs durch die Reduzierung seines Volumens gegenüber der Wabenstruktur leichter transportierbar zu machen und Fremdkörper abzuscheiden. Für die Wachsschmelze gibt es verschiedene Verfahren (z. Bsp. Dampfschmelze, Solarschmelze, Wasserschmelze, siehe FAO, Bees and their role in forest livelihoods, 2009, S. 109). Durch das Schmelzen des Wachses sinken im Wachs eingeschlossene Fremdkörper, die eine größere Dichte haben als das Wachs, ab. Je nach dem angewendeten Schmelzverfahren werden die Fremdstoffe in unterschiedlichem Umfang, jedoch nie vollständig abgeschieden. Das Wachs erkaltet zu Blöcken oder Platten.
Dieses bereits einmal geschmolzene Wachs, manchmal jedoch auch die nur vom Honig befreiten Waben, werden bei den Lieferanten der Klägerin (erneut) eingeschmolzen. Hierbei werden sie auf bis zu 120 C erhitzt, um die veterinärrechtlichen Voraussetzungen gemäß Anhang XIV Kapitel II Abschnitt 1 Nr. 10 Spalte 3 Buchstabe a) ii) in Verbindung mit Anhang IV Kapitel III, Verarbeitungsmethoden 1 bis 5 oder 7 der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 vom 25. Februar 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte sowie zur Durchführung der Richtlinie 97/78/EG hinsichtlich bestimmter gemäß der genannten Richtlinie von Veterinärkontrollen an der Grenze befreiter Proben und Waren (ABl. L 54, 1; zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung(EU) 2019/1177 vom 10. Juli 2019, ABl. L 185, 26) zu erfüllen. Ohne diese thermische Behandlung wäre die Einfuhr der Ware in die EU nicht erlaubt. Bei Gelegenheit dieser Behandlung wird das flüssige Wachs durch Siebe, einfache Baumwolltücher oder Moskitonetze geschüttet oder es fließt durch sie hindurch. Hierbei werden keine Hilfsstoffe eingesetzt und es erfolgt keine weitere Behandlung des Wachses....