Entscheidungsstichwort (Thema)
Sanktion wegen nicht erfolgter Ausfuhr von Erstattungsware in das Drittland
Leitsatz (amtlich)
Sind ausschließlich falsche Angaben des Ausführers in der Ausfuhrerklärung nach Art 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr.3665/87 sanktioniert oder ist allein die Nichteinhaltung von materiellen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs Gegenstand der Sanktion?
Normenkette
EWGV 3665/87 Art. 11 Abs. 1; EGV 800/1999 Art. 51
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte von der Klägerin zu Recht Sanktionen wegen einer nicht erfolgten Ausfuhr von Erstattungsware in das Drittland erhoben hat.
Die Klägerin meldete in der Zeit vom 18.10. bis 12.12.1995 in insgesamt 24 Fällen Weißzucker beim Hauptzollamt H zur Ausfuhr nach Malta an und beantragte die Zahlung der Ausfuhrerstattung. Diese wurde ihr vom Beklagten mit Ausfuhrbescheid in der Zeit vom 12.02.1996 bis 05.03.1996 nach Vorlage der Ausgangsbestätigung auf den eingereichten Kontrollexemplaren in Höhe von insgesamt 230.102,37 Euro gewährt.
Die Klägerin selbst führte die Ware nicht aus. Sie stand in Geschäftsverbindung mit italienischen Abnehmern und verkaufte unter Vermittlung der italienischen Firma F zunächst an die italienische Firma G, später - ebenfalls von der Firma F vermittelt - an die italienische Firma S, ein Tochterunternehmen der G. Nach den abgeschlossenen Verträgen waren die italienischen Geschäftspartner der Klägerin sowohl für den Transport des Zuckers aus der Bundesrepublik Deutschland nach Italien als auch für den Weitertransport der Ware nach Malta verantwortlich. Die Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht - der Ausfuhr des Zuckers aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft - ließ sich die Klägerin jeweils durch Stellung einer Bankgarantie sichern. Diese Sicherheiten gab sie am 27.06.1996 frei, nachdem sie die Nachweise über die - wie sie glaubte - ordnungsgemäß durchgeführte Ausfuhr in Gestalt der abgestempelten Zollpapiere erhalten hatte und diese von dem Beklagten anerkannt worden waren.
Am 05.11.1996 stellte das Zollkriminalamt Köln die Fälschung der Ausgangsbestätigung auf den Zollpapieren fest. Hierzu führte das Zollkriminalamt in seinem Gutachten auf Seite 3 aus, die Stempelabdrücke seien "als Produkt mindestens einer - zugegebenermaßen vorzüglichen und nur anhand eines entsprechenden authentischen Abdrucks erkennbaren - Skelettstempelfälschung zu werten".
Da der gemäß Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 erforderliche Ausfuhrnachweis nicht erbracht war, forderte der Beklagte mit Berichtigungsbescheiden vom 07.07.1997 die gewährte Ausfuhrerstattung zurück. Die Klägerin zahlte den Rückforderungsbetrag.
Am 19.01.1998 erließ der Beklagte die angefochtenen Sanktionsbescheide. Dagegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.02.1998 Einspruch, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 10.03.2003 als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage vom 10.04.2003, zu deren Begründung die Klägerin unter anderem folgendes vorträgt:
Die Bestandskraft der Rückforderungsbescheide stehe der Überprüfung der angefochtenen Sanktionsbescheide nicht entgegen, wie sich dies aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-274/04 ergebe.
Eine Sanktionierung komme im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil das HZA H die Ausfuhranmeldungen und die T5-Kontrollexemplare auf Antrag der Klägerin am 21.08.1997 für ungültig erklärt habe.
Außerdem habe sie (die Klägerin) keine falschen Angaben gemacht, was für eine Sanktion erforderlich sei. An einer falschen Angabe fehle es deshalb, weil es sich bei der erstattungsrechtlichen Ausfuhranmeldung hinsichtlich der geplanten Ausfuhr um eine Absichtserklärung handele. Diese Erklärung sei richtig gewesen. Gemäß der erklärten Absicht habe sie auch alles für die Ausfuhr des Zuckers erforderliche in die Wege geleitet. Dass aufgrund von ihr nicht verschuldeter Umstände die Ausfuhr nicht erfolgt sei, könne eine Sanktion nicht begründen.
Eine Sanktionierung scheide zudem auch deshalb aus, weil die Angabe zur geplanten Ausfuhr nicht "warenbezogen" sei. Nur falsche warenbezogene Angaben (z.B. Eigenschaften oder Ursprung der Erstattungsware) könnten zu einer Sanktion führen.
Schließlich verstießen die Sanktionsbescheide gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar verstoße die Regelung des Artikels 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 selbst nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (EuGH Rechtssache C-210/2000, Käserei Champignon). Die konkrete Anwendung der Vorschrift könne jedoch zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen, was im Streitfall zutreffe. Denn ihr (der Klägerin) sei kein eigenes Fehlverhalten vorzuwerfen; sie sei Opfer und nicht Täter. Insofern sei auch zweifelhaft, ob der strenge Maßstab hinsichtlich der Zurechnung des Fehlverhaltens Dritter, der bei der Rückforderung von Ausfuhrerstattung gelte, auch in jedem Fall der Sanktionierung Anwendung finde.
Die...