Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Rechtsschutzbedürfnis gegen Insolvenzantrag des Finanzamtes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Antrag beim Finanzgericht auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen einen (beabsichtigten oder gestellten) Antrag des Finanzamtes auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (gegen BFH).

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.02.2011; Aktenzeichen VII B 226/10)

 

Tatbestand

Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, den Antragsgegner - das Finanzamt (FA) - zur Rücknahme des mit Schriftsatz vom 1. November 2010 gestellten, beim Insolvenzgericht am Folgetag eingegangenen Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers, eines Rechtsanwalts, zu verpflichten.

A.

I.

Steuerrückstände

Zum 5. November 2010 bestanden Rückstände in Höhe von rund 207 T€ (Kontenabfrage Anlageband 2 Fach "Schriftsatz Beklagter 08.11.2010"). Davon entfallen auf ESt 2005 rund 114 T€, auf ESt 2001 rund 14 T€ und auf Umsatzsteuer (USt) 4. Vierteljahr 2009 rund 11 T€, der Rest im Wesentlichen auf Nebenabgaben und Nebenleistungen.

Die Steuerforderung ESt 2005 beruht auf einer Zahlung des damaligen Arbeitgebers des Ast. von 300.000 €, deren rechtliche Einordnung und damit Steuerbarkeit zwischen den Beteiligten streitig war. Das Finanzgericht Hamburg hat die Klage des Ast. mit Urteil des Einzelrichters vom 14. Juli 2009 (3 K 197/08, Juris) nach Beweisaufnahme abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Ast. wurde vom Bundesfinanzhof - BFH - mit Beschluss vom 30. Juli 2010 (VI B 109/09, Juris) zurückgewiesen. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bezüglich ESt 2005 vom 12. Juli 2010, eingegangen am 14. Juli 2010, wurde vom BFH mit Beschluss vom 24. August 2010 (VI S 5/10) abgelehnt.

II.

Beruflicher Werdegang und Vermögenslage

Der Ast. war bis Juni 2002 Geschäftsführer der A GmbH, von August 2002 bis März 2006 Vorstandsmitglied der B AG und von Juli 2006 bis Juni 2008 Geschäftsführer der zum C-Konzern gehörenden D GmbH (Finanzgerichtsakte - FG-A - 3 V 120/10 Bl. 22). Der Ast. erlitt am 27. Mai 2008 einen Herzhinterwandinfarkt. Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 wurde gegen ihn eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen wegen eines vom damaligen Dienstherrn angegebenen Fehlverhaltens (Vollstreckungsakte - Voll-A - Bd. 1 Bl. 53-54). Im Anschluss kam es zu zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Ast. und seinem letzten Dienstherrn. Der Ast. klagte wegen des Entgeltes für Juli 2008 (LG Frankfurt a. M. ....., vgl. Voll-A Bd. 1 Bl. 139 und Bl. 160), die D GmbH klagte auf Schadenersatz (LG Frankfurt a. M. .....). Der Ast. hatte gegenüber dem FA ferner den Entwurf einer Kündigungsschutzklage (Voll-A Bd. 1 Bl. 162-176) vorgelegt, diese jedoch letztlich nicht erhoben (FG-A Bl. 138). Der Rechtsstreit endete mit Vergleich vom 23. September 2009, wonach der Ast. an seinen früheren Dienstherrn 110 T€ Schadenersatz zu zahlen hat und Vergütungsansprüche nicht mehr bestehen (Anlageband 2 Fach "Schriftsatz Ast. 08.11.2010", Anlage AS 35). Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Ast. wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Ast. hat seinerseits eine Strafanzeige gegen beteiligte Personen erhoben, deren Ergebnis nicht bekannt ist.

Der Ast. ist seit September 2008 als selbständiger Rechtsanwalt in eigener Kanzlei tätig.

Aus der vom Ast. am 20. Juni 2008 vorgelegten Einkommens- und Vermögensübersicht (Voll-A Bd. 1 Bl. 14-16) ergeben sich monatliche Einnahmen, denen die monatlichen Ausgaben nahezu entsprechen (je rund 15 T€); außer verpfändeten Forderungen gegen eine Lebensversicherung in Höhe von 164 T€ praktisch kein Vermögen; Bankverbindlichkeiten in Höhe vom 180 T€ und rückständige Steuern in Höhe von 32 T€.

Aus der Einkommens- und Vermögensübersicht vom 10. Mai 2010 (Voll-A Bd. 2 Bl. 141-160), beim FA eingegangen am 21. Mai 2010, ergeben sich monatliche Ausgaben von rund 14 T€ zuzüglich Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der früheren Ehefrau (3 T€) und einer erwachsenen Tochter (1 T€). Aus einer vom Ast. am 12. Mai 2010 unterschriebenen betriebswirtschaftlichen Auswertung der Kanzlei zum 31. Dezember 2009 (Voll-A Bd. 2 Bl. 154) sind Betriebseinnahmen von 309 T€ und Betriebsausgaben von 102 T€ ersichtlich, was einem Einnahmen-Überschuss von jährlich 207 T€, monatlich 17 T€ entspricht. Ferner ergeben sich aus der Vermögensübersicht Bankverbindlichkeiten in Höhe von 950 T€, Steuerrückstände in Höhe von 155 T€, teilweise streitig; andere Verbindlichkeiten in Höhe von 25 T€. Vermögen ist praktisch nicht vorhanden. Gegenüber der zweiten Ehefrau besteht seit 1998 eine Globalzession aller pfändbaren Bezüge und Honorareinnahmen (Voll-A Bd. 2 Bl. 150). Die bestehenden Lebensversicherungen wurden entweder beliehen, um mit dem Darlehen frühere Steuerrückstände zu tilgen, oder sie sind zugunsten von Banken oder anderen Gläubigern abgetreten. Freie Rückkaufswerte bestehen nicht (Voll-A Bd. 2 Bl. ...

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