Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausfuhrerstattung: Verdacht einer Unregelmäßigkeit zum Nachteil des Gemeinschaftshaushalts
Leitsatz (amtlich)
Die Festlegung der Anwendungsdauer einer Maßnahme im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 1469/95 liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde; in Bezug auf Maßnahmen nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 745/96 ist diese vor allem gehalten, das vom einzelnen Marktteilnehmer ausgehende Risiko möglicher weiterer Unregelmäßigkeiten abzuschätzen.
Normenkette
EGV 1469/95 Art. 1 Abs. 2; egv 1469/95 Art. 3 Abs. 1; egv 745/96 Art. 1 Abs. 1-2, Art. 3 Abs. 3-4
Tatbestand
I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides, mit dem der Antragsgegner ihr gegenüber Maßnahmen nach der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 angeordnet hat.
Die Antragstellerin ist die Rechtsnachfolgerin der Firma A GmbH. In den Jahren 1998 bis 2001 führte die Antragstellerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin Fleisch unterschiedlicher Marktordnungs-Warenlistennummern unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung in verschiedene Drittländer aus. Im Mai 2001 sowie im Januar und Februar 2002 führte das Hauptzollamt Münster bei der Antragstellerin zwei Marktordnungsprüfungen (geprüfter Zeitraum: Oktober 1998 bis Oktober 1999 bzw. Oktober 1999 bis Oktober 2000) durch. In den über diese Prüfungen erstellten Berichten des Hauptzollamtes Münster vom 29.5.2002 (Bl. 4 ff und 16 ff der Sachakte) heißt es u.a.: Die Antragstellerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe von überwiegend in Deutschland ansässigen Zerlegebetrieben Rinder- und Schweineabschnitte bezogen und hieraus nach entsprechender Bearbeitung Trimmungs- und Verarbeitungsfleisch hergestellt. Die Ware sei im betriebseigenen Gefrierhaus eingefroren und - sofern ein umgehender Verkauf nicht erfolgt sei - in auswärtigen Gefrierhäusern zwischengelagert worden. Habe eine Auslieferung bevorgestanden, sei die Ware in den Betrieb zurückverbracht und für den Export verwogen und umgeladen worden, wobei der zurückbeförderten und exportierten Lagerware regelmäßig auch Ware aus dem betriebseigenen Gefrierhaus beigefügt worden sei. Eine Partieverwaltung habe es insoweit nicht gegeben. Darüber hinaus habe die Antragstellerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin einen innergemeinschaftlichen Handel mit Innereien und Schlachtabfällen betrieben. Die Schlachtabfälle, die hauptsächlich für die Futtermittelherstellung bestimmt gewesen seien, würden beim Putzen und Verarbeiten der von der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bezogenen Fleischabschnitte anfallen. Um diese Abfälle für den vorgesehen Zweck verwertbar zu machen, habe die Antragstellerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin auch Abfälle eingekauft, die ausschließlich Futtermittelqualität besessen hätten und für die menschliche Ernährung nicht geeignet gewesen wären. Diese seien dann mit den im Betrieb angefallenen Schlachtabfällen vermengt und nach Firmenangaben als Tierfutter gehandelt worden. Die Antragstellerin habe dem Prüfer mitgeteilt, dass in ihrem Betrieb üblicherweise anfallende Belege - nämlich Wochenplanungen über die pro Kalenderwoche durchzuführenden Auslieferungen, schriftliche Bestellungen, schriftliche Auftragsbestätigungen und Eingangslieferscheine - regelmäßig nach Abarbeitung der jeweiligen Aufträge vernichtet worden seien. Gestützt auf eine Mitteilung des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster sei offenbar geworden, dass die Antragstellerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin im Jahre 1999 von der Firma B GmbH Fleischwaren im Wert von rund 1,5 Millionen DM und im Kalenderjahr 2000 im Wert von etwa 2,0 Millionen DM bezogen habe. Nach den Feststellungen des Finanzamtes lägen für das Jahr 1999 bei der Firma B GmbH Verkaufsrechnungen in Millionenhöhe vor, für die ein Herkunftsnachweis allerdings fehle. Es könne davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei entweder um den Absatz von betrügerisch erworbenem Fleisch handele oder die Firma B GmbH - so wie diese sich eingelassen habe - in diesem Umfang Gefälligkeitsrechnungen erstellt habe. Da die Firma B GmbH über keine Partieverwaltung verfüge, ließen sich dort Ein- und Verkäufe nicht einander zuordnen. Da auch die Antragstellerin über keine Partieverwaltung verfüge, könne sie den Nachweis darüber nicht erbringen, dass die Waren der Firma B GmbH nicht in den Export gegangen seien. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin versucht habe, durch Scheinrechnungen der Firma B GmbH die tatsächliche Herkunft ihres eigenen Fleisches zu verschleiern bzw. dass sie von der Firma B GmbH betrügerisch erworbenes Fleisch für den Export verwendet habe. Weiterhin sei festgestellt worden, dass die Antragstellerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin im Kalenderjahr 1999 rund 260 Tonnen Tiernahrung bezogen habe. Eine Prüfung der kaufmännischen Unterlagen hinsichtlich des Verbleibs des Tierfutters habe zu der Feststellung geführt, dass sich aus den Ausgangsrechnungen der Antragstellerin bzw. der Rechts...