Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Tabaksteuererhöhung auf vorportionierten Feinschnitt
Leitsatz (amtlich)
Es ist zweifelhaft, ob die Verordnung zur Erhebung einer Nachsteuer auf vorportionierten Feinschnitt vom 16.11.2005 (BGBl. I S. 3165, sog. Nachsteuer-Verordnung) auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruht.
Normenkette
TabakStG § 4 Abs. 1, § 31 Nr. 18; NachStVO §§ 1-3
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Tabaksteueranmeldung.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und anderer Verbrauchsteuergesetze vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2924) beschloss der Bundesgesetzgeber eine stufenweise Erhöhung der Tabaksteuer für Zigaretten, Zigarren, Zigarillos, Feinschnitt und Pfeifentabak, und zwar zum 1.3.2004, 1.12.2004 und 1.9.2005 (vgl. Art. 1 Abs. 1 Ziffer 2). Außerdem ermächtigte der Bundesgesetzgeber das Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung zur Sicherung des Tabaksteueraufkommens für Zigaretten und Feinschnitt eine Nachsteuer in Höhe des Belastungsunterschieds festzusetzen, der sich aus der Differenz des vor und nach dem jeweiligen Erhöhungstermin geltenden Steuertarifs ergibt (vgl. Art. 1 Abs. 1 Ziffer 4).
Im Rahmen der Tabaksteuererhöhung zum 1.9.2005 führte der Steueraufsichtsdienst der Zollverwaltung in den ersten beiden Septemberwochen 2005 in den Auslieferungslagern der Hersteller sowie im Groß- und Einzelhandel stichprobenweise eine Bestandsermittlung an alt- (bis zum 31.8.2005) und neuversteuerten (ab dem 1.9.2005) Zigaretten und Feinschnitt durch, bei der beim vorportionierten Feinschnitt im Gegensatz zur Zigarette weit überwiegend altversteuerte Bestände festgestellt wurden. Diese Ergebnisse der Bestandsermittlung nahm der Bundesminister der Finanzen zum Anlass, durch Rechtsverordnung (Verordnung zur Erhebung einer Nachsteuer auf vorportionierten Feinschnitt vom 16.11.2005, BGBl. I S. 3165, im Folgenden: Nachsteuer-Verordnung) rückwirkend zum 1.9.2005 eine Nachsteuer auf vorportionierten Feinschnitt zu erheben, für den die Steuer nach dem bis zum 31.8.2005 geltenden Steuertarif entstanden war und der sich nach diesem Zeitpunkt im Besitz eines Steuerlagerinhabers, Groß- oder Einzelhändlers befand oder befunden hatte.
Die Antragstellerin, die mit Tabakwaren handelt, gab unter dem 13.12.2005 beim Antragsgegner unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 Nachsteuer-Verordnung eine Tabaksteueranmeldung in Höhe von EUR 6.740,04 betreffend ihre Bestände an vorportionierten Feinschnitt am 1.9.2005 ab. Mit Schreiben vom 13.12.2005 erhob die Antragstellerin gegen ihre Steueranmeldung vom 13.12.2005 Einspruch. Mit Schreiben vom 14.12.2005 beantragte die Antragstellerin zudem, die Vollziehung der Steueranmeldung vom 13.12.2005 auszusetzen, was der Antragsgegner in der Folgezeit mit Bescheid vom 29.12.2005 ablehnte.
Die Antragstellerin hat am 19.1.2006 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie meint, dass die Steueranmeldung vom 13.12.2005 rechtswidrig sei, weil diese auf einer rechtswidrigen und damit nichtigen Rechtsverordnung beruhe.
Die Antragstellerin, die den angemeldeten Betrag zwischenzeitlich entrichtet hat, beantragt, die Vollziehung der Steueranmeldung vom 13.12.2005 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung des Antragsgegners über den Einspruch der Antragstellerin vom 13.12.2005 aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er verteidigt die angefochtene Steueranmeldung. Auf die Antragserwiderung vom 1.3.2006 wird Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Antragsgegners verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Der gemäß § 69 Abs. 3 FGO zulässige Antrag auf Aufhebung der Vollziehung führt zum Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 7 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Danach soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur Beschluss vom 26.8.2004 - V 243/03 -, juris; Beschluss vom 23.8.2004 - IV S 7/04 -, juris). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschluss vom 26.4.2004 - VI B 4...