Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheides wegen Steuerhinterziehung
Leitsatz (amtlich)
Es bestehen ernstliche Zweifel, ob es nicht ermessenswidrig ist, den Gesellschafter einer GmbH als Steuerhinterzieher wegen Körperschaftsteuer auf die von der GmbH nicht erklärten Gewinne im Wege der Haftung insoweit in Anspruch zu nehmen, als ihm gleichzeitig die Anrechnung der Körperschaftsteuer bei der Erfassung der nämlichen Gewinne als verdeckte Gewinnausschüttung im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der (eigenen) Einkommensteuer versagt wird.
Normenkette
AO §§ 71, 69 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über Haftung wegen Teilnahme an einer Steuerhinterziehung.
Der Antragsteller war von Oktober 1995 bis Juli 1999 Gesellschafter der ... Handels GmbH (GmbH). Sein Gesellschaftsanteil betrug 49 v.H.; weiterer Gesellschafter war Herr E mit einem Anteil von 51. v.H. Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung von ... (Backwaren), die an Einzelhandelsgeschäfte in Hamburg und Umland verkauft wurden.
Den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle FA Hamburg-... zufolge gab es für die GmbH neben der offiziellen Buchführung noch eine weitere, inoffizielle Buchführung. Letztere soll nach dem Bericht der Steuerfahndung vom 26.1.2004 (u.a.) für die Jahre 1996 bis 1998 erhebliche Umsätze aufweisen, die in der offiziellen Buchführung nicht aufgeführt waren; auch soll die offizielle Buchführung hinsichtlich der Wareneinkäufe unvollständig gewesen und sollen Löhne unversteuert gezahlt worden sein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht der Steuerfahndung Bezug genommen.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen erließ der Antragsgegner am 11.3.2004 gegen die GmbH entsprechend geänderte Bescheide über Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschläge. Mit Schreiben vom 6.5.2004 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Hinweis auf die festgestellten Steuerrückstände der GmbH mit, dass er für den Zeitraum von 1996 bis Juli 1999 als Haftender in Betracht komme, und gab ihm Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Der Antragsteller machte geltend, dass er lediglich Gesellschafter der GmbH gewesen sei, nicht aber deren Geschäftsführer, und verwies im Übrigen auf seine Aussagen im Rahmen eines gegen ihn geführten Steuerstrafverfahrens.
Am 30.6.2006 erließ der Antragsgegner gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid nach §§ 69, 71 AO über insgesamt 318.062,07 EUR wegen Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 1996 bis 1998 nebst Zinsen. Dagegen legte der Antragsteller am 3.7.2006 Einspruch ein und beantragte, die Vollziehung des Haftungsbescheids auszusetzen.
Der Antragsgegner lehnte letzteres mit Bescheid vom 24.7.2006 ab. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Antragsteller sei seiner eigenen Aussage zufolge über die wirtschaftliche Lage der GmbH informiert gewesen, demnach auch über die erzielten Erträge; dies ergebe sich aus dem Bericht der Steuerfahndung. Dennoch habe der Antragsteller im Haftungszeitraum erhebliche Geldbeträge erhalten, der Steuerfahndung zufolge insgesamt 360.064,00 DM. Weder im Rahmen der Steuerfahndung, noch im Besteuerungsverfahren noch schließlich im Haftungsverfahren habe der Antragsteller den Zugang dieser Geldmittel erklären können. Er habe ihn schlicht bestritten, obwohl der Steuerfahndung die Kontoauszüge der Privatkonten des Antragstellers vorgelegen hätten, aus denen sich die genannten Beträge ergäben. Diese Beträge seien der offiziellen Buchführung der GmbH nach nicht auszahlbar gewesen; weder der Jahresüberschuss noch der Stand des Bankkontos hätten hierfür ausgereicht. Schon im ersten Jahr des Haftungszeitraums sei der Unterschied zwischen dem maximal auszahlbaren Betrag laut Buchführung und dem tatsächlich ausgezahlten Betrag so eklatant gewesen, dass eine Unwissenheit des Antragstellers ausgeschlossen werden könne.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag an das Finanzgericht vom 26.7.2006. Seiner Auffassung nach bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides. Er trägt im Wesentlichen vor: § 71 AO sei nicht anwendbar, wenn der Haftungsschuldner zugleich Steuerschuldner sei. Wegen der bei der GmbH festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen seien bei ihm Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt und daraus resultierende Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 1999 festgesetzt worden; eine Ausschüttungsbelastung habe der Antragsgegner nicht angerechnet. Er schulde also bereits durch die gegen ihn festgesetzte Einkommensteuer die Körperschaftsteuer, die bei der GmbH auf die festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen entfalle. Des Weiteren habe der Antragsgegner die Voraussetzungen der Haftungsinanspruchnahme nicht hinreichend ermittelt. Es sei nicht ersichtlich, wer konkret eine Steuerstraftat begangen habe und ob er - der Antragsteller - als Mittäter oder Teilnehmer gehandelt haben solle. Der Antragsgegner be...