Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuergesetz: ermäßigter Steuersatz für Wattwagenfahrten?
Leitsatz (amtlich)
Wattwagenfahrten zwischen dem Festland und der Insel Neuwerk sind nicht mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % zu besteuern, weil sie nicht im Rahmen des begünstigten öffentlichen Personennahverkehrs erfolgen, sondern touristischen Charakter haben.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b
Tatbestand
I.
Streitig ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, ob auf Erlöse aus dem Betrieb von Wattwagen der ermäßigte Steuersatz von 7% anzuwenden ist.
Der Antragsteller betreibt auf der Nordseeinsel Neuwerk ein Fuhrunternehmen mit Wattwagen, die Personen zwischen ... und der Insel Neuwerk befördern. Diese Personenbeförderung wird durch die Hamburgische Wattwagenverordnung (WattwV) vom 23.08.2005 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 369) geregelt. Nach § 2 der WattwV dürfen für die Personenbeförderung nur die mit zwei Pferden bespannten Wagen mit hoch liegendem Gestell (Wattwagen) eingesetzt werden. Der Antragsteller verfügt über die für den Betrieb von Wattwagen erforderlichen Erlaubnisse.
Der Antragsteller meldete im hier streitigen Zeitraum Juli bis Dezember 2011 die Erlöse aus dem Betrieb der Wattwagen unter Berufung auf § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % an. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung erließ der Antragsgegner am 09.08.2012 Bescheide für die Umsatzsteuervorauszahlungen Juli bis Dezember 2011, in denen der reguläre Steuersatz für die Wattfahrten in Ansatz gebracht wurde. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 13.08.2012., mit dem der Antragsteller geltend machte, die Wattfahrten, die der Personen- und Gepäckbeförderung dienten, seien wie Taxifahrten ermäßigt zu besteuern. Hierüber ist gegenwärtig noch nicht entschieden worden. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner am 17.08.2012 ab.
Am 30.08.2012 hat der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht beantragt. Der ermäßigte Steuersatz entsprechend § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG sei anzuwenden, weil die Wattfahrten in einer Art Linienverkehr zwischen dem Festland und der Insel Neuwerk durchgeführt würden und der Beförderung von Personen und Gepäck dienten. Nach deutschem und nach Unionsrecht sei die Erbringung einer Beförderungsleistung das bestimmende Merkmal, während die Art des Beförderungsmittels nicht entscheidend sei. Das Beförderungsmittel müsse nicht zwingend ein Kraftomnibus oder Personenkraftwagen sein; nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien auch Schiffe Beförderungsmittel.
Zu beachten sei zudem, dass die Wattwagen wegen ihrer besonderen Bauweise für das Durchqueren des Watts die geeigneten Fahrzeuge seien, während andere Fahrzeuge hierfür ungeeignet seien, weil sie einzusinken drohten. Diese einmalige Besonderheit dürfe nicht die Versagung der Begünstigung zur Folge haben.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für Juli bis Dezember 2011, jeweils vom 09.08.2012, insoweit von der Vollziehung auszusetzen als die Umsätze aus dem Betrieb der Wattwagen mit dem regulären Steuersatz von 19 % anstelle des ermäßigten Steuersatzes von 7 % besteuert worden sind.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen
und beruft sich auf die geltende Rechtslage. Weder das nationale Umsatzsteuergesetz noch die unionsrechtlichen Regelungen sähen eine Besteuerung mit dem ermäßigten Satz vor.
Entscheidungsgründe
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht Aussetzung der Vollziehung gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben der für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung; Nachweise bei Seer in Tipke/Kruse, AO FGO § 69, Rz. 89). Dabei muss der Erfolg nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (z. B. BFH vom 21.12.1993, VIII B 107/93, BStBl II 1994, 300). Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Steuerfestsetzung bestehen nicht.
a) Nach § 10 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für Beförderungen von Personen im Schienennahverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr, wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt. Unionsrechtliche "Grundlage" für diese --bereits vor Erlass d...