Revision eingelegt (BFH XI R 23/12)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Kindergeld: Kindergeldberechtigung eines in Deutschland wohnhaften EU-Ausländers für seine Kinder, die im EU-Ausland im Haushalt der Kindesmutter leben
Leitsatz (amtlich)
Besteht nach den Rechtsvorschriften mehrerer EU-Mitgliedstaaten nur ein Kindergeldanspruch einer Person, so kann ein Anspruch auf Kindergeld anderer Personen bzw. ein Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes an andere Personen nicht aufgrund europäischer Vorschriften fingiert werden.
Normenkette
EGV 883/2004 Art. 67 S. 1; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 68; EGV 883/2004 Art. 11 Abs. 1 S. 1; EGV 883/2004 Art. 87 Abs. 8 S. 1; EStG 2010 § 64 Abs. 2 S. 1; EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kindergeldberechtigung für die Kinder A und B sowie über die Frage, an wen das Kindergeld ggf. auszuzahlen ist.
Der Kläger und die Beigeladene, beide polnische Staatsangehörige, sind die leiblichen Eltern der Kinder A, geboren am ..., und B, geboren am .... Der Kläger und die Beigeladene waren und sind nicht miteinander verheiratet. Der freizügigkeitsberechtigte Kläger hat seinen alleinigen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg, die Beigeladene hat ihren alleinigen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in C, Polen.
Der Kläger war vom 09.12.2009 bis zum 31.05.2010 sozialversicherungspflichtig angestellt bei "D e. V". Seit dem 01.06.2010 bezieht der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Nach Abschluss der Oberschule im ... 2009 besuchte A für ein Schuljahr eine ... Privatschule (... Studium ... in C), die die Rechte einer öffentlichen Schule hatte. Ab ... 2010 studierte A an der Universität C .... A wohnte zunächst im Haushalt der Beigeladenen, mietete ab ... 2011 bis ... 2011 ein Zimmer in einer anderen Wohnung und zog danach wieder in den Haushalt der Beigeladenen. A hatte in den Jahren 2010 und 2011 keine eigenen Einkünfte oder Bezüge und wurde von der Beigeladenen finanziell unterstützt.
B lebte im Haushalt der Beigeladenen bis heute.
Die Beigeladene übte jedenfalls seit September 2010 in Polen eine berufliche Vollzeittätigkeit bei dem Unternehmen "E" in der Niederlassung in C aus. Polnische Familienleistungen wurden nach Auskunft der zuständigen polnischen Behörde vom ... 2010 ab 2009 nicht geleistet, da die Einkommensgrenzen nach polnischem Recht überschritten waren bzw. nach Auskunft vom ... 2011 ab September 2010 kein Antrag gestellt worden war.
Die Beklagte setzte zunächst Kindergeld für die Kinder A und B zugunsten des Klägers als Kindergeldberechtigten fest und zahlte das Kindergeld aufgrund eines Abzweigungsantrags an die Beigeladene aus. Mit Bescheid vom ... 2010 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder A und B ab September 2010 auf und zahlte das Kindergeld ab September 2010 nicht mehr aus. Hiergegen legte der Kläger am ... 2010 Einspruch ein, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... 2011 zurückwies.
Am ... 2011 erhob der Kläger Klage. Er ist der Meinung, er sei kindergeldberechtigt. Das Kindergeld sei an die Beigeladene auszuzahlen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten über die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder A und B vom ... 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2011 aufzuheben und ab September 2010 Kindergeld für die Kinder A und B an die Beigeladene auszuzahlen.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht kindergeldberechtigt, sondern die Beigeladene, da die Kinder in den Haushalt der Beigeladenen aufgenommen seien. Es sei ein deutscher Unterschiedsbetrag nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) an die Beigeladene zu zahlen. Dies ergebe sich aus den ab Mai 2010 anzuwendenden europäischen Rechtsvorschriften. Mangels Kindergeldberechtigung des Klägers komme eine Abzweigung an die Beigeladene nicht in Betracht.
Die Beigeladene stellte am ... 2010 einen eigenen Antrag auf Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder A und B bei der Familienkasse F - Bundesagentur für Arbeit -, der mit Bescheid vom ... 2011 abgelehnt wurde. Über den hiergegen am ... 2011 eingelegten "Widerspruch" ist noch nicht entschieden.
Dem Gericht haben die Kindergeldakte der Beklagten, Kindergeld-Nummer ... Band 2, sowie die Kindergeldakte der Familienkasse F - Bundesagentur für Arbeit -, Kindergeldnummer ..., vorgelegen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie das Protokoll des Erörterungstermins vom 06.05.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.
II. Das Gericht legt die Klage in der Weise aus, dass der Kläger im Ergebnis begehrt, das Kindergeld für die beiden Kinder A und B zu seinen Gunsten festzusetzen und das festzusetzende Kind...