Revision eingelegt (BFH VII R 42/11)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerrecht: Vergleiche über und Berechnung von Lohnsteueranrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Erhebungsverfahren können Steuerpflichtiger und Finanzamt Vergleiche schließen.

2. Hat ein Zufluss völlig gefehlt und der Arbeitgeber die Lohnsteuer mithin zu Unrecht einbehalten, ist die Lohnsteuer nach der neueren Rechtsprechung des BFH gleichwohl anzurechnen (Aufgabe des Korrespondenzprinzips zugunsten der materiellen Gerechtigkeit).

3. Bei der Berechnung des Betrags einer teilweise vorzunehmenden Lohnsteueranrechnung ist anteilig (prozentual) auf die im konkreten Lohnabrechnungszeitraum tatsächlich abgezogene Lohnsteuer abzustellen.

 

Normenkette

EStG § 36 Abs. 2 Nr. 2, § 19 Abs. 1 S. 1, § 38a Abs. 2-3; AO § 78 Nr. 3, § 37 Abs. 2 S. 1, §§ 118, 85; GG Art. 20 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 20.09.2012; Aktenzeichen VII R 42/11)

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von vom damaligen, inzwischen liquidierten Arbeitgeber für einen geldwerten Vorteil einbehaltene Lohnsteuer, nachdem das Vorliegen dieses Vorteils zwischen den Beteiligten zuvor im Verfahren 3K 51/08 umstritten war und sie sich dort verständigt und das Verfahren für erledigt erklärt haben.

I.

1.a)

Der Kläger war bis 30. September 2003 angestellter kaufmännischer Leiter der A GmbH, deren Gesellschafterin die Stadt B war. Gegenstand des Unternehmens der A war die Förderung junger Unternehmen auf dem Gebiet der Medizintechnik, und zwar sowohl durch Übernahme von Beteiligungen als auch durch Aufbau eines persönlichen Netzwerks. Geschäftsführer bis August 2003 war Dr. C.

b)

Aufgrund politischer Veränderungen wurde die Arbeit der A eingestellt. Dazu wurde zunächst der bisherige Geschäftsführer abberufen und im September 2003 der neue Geschäftsführer D bestellt mit der Aufgabe, die Liquidation vorzubereiten und mit dem Personal Abfindungsverträge auszuhandeln. Im Dezember 2004 wurde die Auflösung der Gesellschaft förmlich beschlossen und ein Liquidator bestellt. Im Januar 2009 wurde die Gesellschaft im Handelsregister nach Beendigung der Liquidation gelöscht. Die Bücher und Schriften wurden der Behörde für Wirtschaft und Arbeit der Stadt B zur Aufbewahrung übergeben.

2.a)

Ein Kernteam von Medizinern und Ingenieuren hatte ein Handgerät („...“) zur Überwachung von mechanischen Herzklappen, das vom Patienten selbst eingesetzt werden kann („...“), entwickelt, aber noch nicht zur Marktreife gebracht. Zur Weiterführung der Projektidee benötigten sie betriebswirtschaftliche Unterstützung und Beratung sowie Kapital. Neben weiteren Personen kam der Kläger als Ökonom hinzu, danach die A als Investor, später Dr. E als weiterer Investor.

b)

Mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2002 wurde von dem Kernteam, den weiteren hinzugekommenen Personen, darunter der Kläger, und der A die F GmbH gegründet mit einem Stammkapital von 25.000 Euro, von dem die Gesellschafter Stammeinlagen in unterschiedlicher Höhe übernahmen, der Kläger übernahm 750 Euro, die A als „Lead Investor“ 6.250 Euro (im Einzelnen: Gesellschaftsvertrag § 1.1, Anlageband Fach Schriftsatz Kläger 15.03.2011). Die Gesellschafter hatten ferner ein Aufgeld in die Kapitalrücklage zu entrichten, insgesamt 172.400 Euro. Der Anteil des Aufgeldes der einzelnen Gesellschafter entsprach nicht ihrem Anteil am Stammkapital. Das Kernteam hatte ein unterproportionales, die A ein deutlich überproportionales Aufgeld zu zahlen (im Einzelnen: Gesellschaftsvertrag § 3.1). Das Aufgeld des Klägers betrug 6.450 Euro, das der A 125.000 Euro. Über die Gewinnverteilung war keine besondere Regelung getroffen. Der Kläger zahlte seine Stammeinlage und sein Aufgeld, zusammen 7.200 Euro, am 1. November 2002 an die Gesellschaft (Finanzgerichtsakte - FG-A - 3 K 51/08 Bl. 51). Die Gesellschaft wurde am ... 2002 in das Handelsregister eingetragen.

c)

Mit notariell beurkundetem Gesellschafterbeschluss vom 11. April 2003 wurde unter Erhöhung des Stammkapitals von dem hinzutretenden Gesellschafter Dr. E eine Stammeinlage von 8.800 Euro und ein Aufgeld von 250.000 Euro übernommen.

d)

Anfang 2006 gab es zwischen den Gesellschaftern im Rahmen einer weiteren Finanzierungsrunde Streit, so dass die weitere Expansion scheiterte. Die F GmbH wurde in G GmbH umfirmiert und ist nicht mehr geschäftlich aktiv. Ein Teil der bisherigen Gesellschafter, darunter der Kläger, gründete die H GmbH & Co. KG, die trotz der Namensgleichheit mit der früheren F GmbH keine gesellschaftsrechtliche Verbindung aufweist. Diese führt jetzt die Geschäftsaktivitäten weiter.

e)

Geschäftsführer der F GmbH, jetzt G GmbH ist der Ingenieur, Mitglied des Kernteams und Mitgesellschafter Dr. I. Dieser ist auch an der H GmbH & Co. KG beteiligt und war zunächst bis 2009 auch Geschäftsführer von deren Komplementär-GmbH. Seit ... 2008 ist er Professor für ... an der Hochschule J.

Der Kläger veräußerte seinen Geschäftsanteil an der F GmbH im Juni 2006 an Dr. I ohne sofort fälliges Entgelt, nur gegen Besserungsschein; bis ...

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