Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung von Rückforderungsansprüchen im Ausfuhrerstattungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Auch nach nationalem Recht verjähren Rückforderungsansprüche in entsprechender Anwendung des §169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO innerhalb von vier Jahren; die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB a. F. findet keine Anwendung (Änderung der Rechtsprechung des Senats)

 

Normenkette

EGV 2988/95 Art. 3 Abs. 1, 3; AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BGB a.F. § 195

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rückforderung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Die Klägerin führte im August 1995 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 0000 in die Türkei aus, für die ihr das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 23.11.1995 antragsgemäß Ausfuhrerstattung gewährte. Nachdem das Hauptzollamt für Prüfungen A festgestellt hatte, dass die Klägerin für die vorgenannte Ausfuhr auch zwei vor dem 1.7.1995 ausgestellte Ausfuhrlizenzen mit Vorausfestsetzung der Erstattung vorgelegt hatte, in denen als Bestimmungsland in Feld 7 unverbindlich Libanon angegeben war, forderte das beklagte Hauptzollamt mit Berichtigungsbescheid vom 22.10.2001 einen Teil der gewährten Ausfuhrerstattung in Höhe von € 2.506,92 mit der Begründung zurück, dass sie für diesen Teil der Ausfuhrsendung lediglich den vor dem 1.7.1995 gültigen und im Voraus festgesetzten Erstattungssatz beanspruchen könne, der für die Türkei nicht 90 ECU/100kg - so wie im Bescheid vom 23.11.1995 zugrunde gelegt -, sondern lediglich 60 ECU/kg betragen habe.

Den von der Klägerin gegen den Berichtigungsbescheid vom 22.10.2001 gerichteten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt in der Folgezeit mit Einspruchsentscheidung vom 13.5.2002 zurück.

Mit ihrer am 13.6.2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie wendet u.a. ein, dass der vom beklagten Hauptzollamt geltend gemachte Rückforderungsanspruch verjährt sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Berichtigungsbescheid vom 22.10.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.5.2002 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt verteidigt die angefochtenen Bescheide und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Dem auf die Vorschrift des Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. L 351/1, im Folgenden: VO Nr. 3665/87) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABl. Nr. L 310/57), diese in der Fassung der Berichtigung gemäß ABl. vom 16. Juni 1995 Nr. L 132/22, und in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1384/95 der Kommission vom 19. Juni 1995 (ABl. Nr. L 134/14), gestützten Rückforderungsanspruch des beklagten Hauptzollamtes steht der Eintritt der Verjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. Nr. L 312/1, im Folgenden: VO Nr. 2988/95) entgegen (hierzu unter 1.). Das nationale Recht sieht in Bezug auf den in Rede stehenden Rückforderungsanspruch keine längeren Verjährungsfristen vor (hierzu unter 2.). Insoweit merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

  1. Dem vom beklagten Hauptzollamt geltend gemachten Rückforderungsanspruch steht die Einrede der Verjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 entgegen.

    In Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 ist bestimmt, dass die Verjährungsfrist für die Verfolgung vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 beträgt, wobei als Unregelmäßigkeit jeder Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gilt, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe (vgl. Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95).

    Dass die Verjährungsvorschrift des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 auch auf eine - wie hier - Fallkonstellation anwendbar ist, die die Rückforderung einer nach Auffassung des beklagten Hauptzollamtes zu Unrecht gewährten Ausfuhrerstattung betrifft, ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des erkennenden Senats seit langem anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 24.6.2004, C-278/02, juris; FG Hamburg, Urteil vom 21.4.2005, IV 160/03, juris). In seinem Urteil vo...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge