Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer, Insolvenzrecht: Grundsätze der Verteilung einer vom Insolvenzverwalter gebildeten Sondermasse
Leitsatz (amtlich)
1. Bildet ein Insolvenzverwalter aus den gegenüber den Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin geltend gemachten Haftungsansprüchen (§ 171 Abs. 2 HGB) eine Sonderinsolvenzmasse und besteht Streit mit dem Finanzamt darüber, ob aus dieser Sondermasse eine als Masseverbindlichkeit einzuordnende Steuerschuld (vorliegend Gewerbesteuer) vorrangig oder nur anteilig im Verhältnis zu den übrigen Insolvenzforderungen zu tilgen ist, ist für die Klärung dieser Frage der Finanzrechtsweg eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten handelt; zulässige Klageart ist die Feststellungsklage.
2. Auch für eine vom Insolvenzverwalter aus Haftungsansprüchen gegenüber den Kommanditisten einer Insolvenzschuldnerin gebildete Sonderinsolvenzmasse gemäß §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB gilt die allgemein in der Insolvenzordnung geltende Verteilungsordnung (§§ 38, 39, 209 InsO), sodass Masseverbindlichkeiten vorrangig vor Insolvenzforderungen zu bedienen sind.
Normenkette
FGO §§ 33, 41; HGB §§ 171-172; InsO §§ 38-39, 55, 209; EStG § 5a; GewStG § 7
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob eine festgesetzte Gewerbesteuerschuld aus einer vom Kläger als Insolvenzverwalter gebildeten Sondermasse lediglich quotal oder als Masseverbindlichkeit vorrangig zu bedienen ist.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der MS "A" GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Die Schuldnerin wurde als Schifffonds konzipiert. Als Einschiffsgesellschaft bot sie Anlegern die Möglichkeit, sich als Kommanditist mit einer Kommanditeinlage am Betrieb eines Handelsschiffes zu beteiligen.
Nach Erwerb der MS "A" im Jahr 2005 beantragte die Schuldnerin am 14. September 2007 beim Beklagten ab dem Veranlagungszeitraum 2007 ihren Gewinn gemäß § 5a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach der Tonnage ermitteln zu dürfen. Der Beklagte bewilligte diesen Antrag. Im Rahmen des Wechsels zur Tonnagebesteuerung stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 2009 den Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 EStG fest.
Am ... September 2012 bestellte das Insolvenzgericht Hamburg den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Verfügungen über das Vermögen der Schuldnerin waren ab diesem Zeitpunkt nur mit dessen Zustimmung wirksam. Mit Vertrag vom ... Dezember 2012 veräußerte die Schuldnerin das Schiff und übergab dieses am ... Dezember 2012 an die Käuferin. Der Kläger erteilte dazu seine Zustimmung. Mit Beschluss vom ... Januar 2013 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Aufgrund der Veräußerung des Schiffes löste der Beklagte den - fortgeschriebenen - Unterschiedsbetrag i.H.v. ... € auf und erließ auf dieser Grundlage am 4. März 2016 u.a. einen Bescheid über die Gewerbesteuer für das Jahr 2012 i.H.v. ... € gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter der Schuldnerin, da er insoweit von einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 der Insolvenzordnung (InsO) ausging.
Neben der Verwaltung der regulären Insolvenzmasse machte der Kläger im Rahmen seiner Verwaltertätigkeit für die Gläubiger der Schuldnerin Haftungsansprüche wegen erfolgter Rückzahlungen von Kommanditkapital gemäß §§ 171, 172 des Handelsgesetzbuchs (HGB)gegenüber den Kommanditisten der Schuldnerin geltend und bildete aus den geleisteten Zahlungen eine Sondermasse auf einem Sondertreuhandkonto.
Infolge des vom Beklagten erlassenen Gewerbesteuerbescheids zeigte der Kläger am 12. Mai 2016 trotz der aufgrund der geltend gemachten Haftungsansprüche gebildeten Sondermasse die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO an.
Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28. Januar 2020 (II ZR 54/20), wonach Kommanditisten mit ihrer Haftungseinlage auch für bestimmte Masseverbindlichkeiten wie die vom Beklagten geltend gemachte Gewerbesteuerforderung haften, richtete sich der Kläger mit einer Anfrage am 19. April 2021 an den Beklagten und begehrte die Zustimmung, die von ihm gebildete Sondermasse unter allen Haftungsgläubigern anteilig verteilen zu dürfen. Er vertrat dabei die Ansicht, dass für die Verteilung der gebildeten Sondermasse unerheblich sei, dass sich der Anspruch des Beklagten gegen die Masse richte, die übrigen Gläubiger indes "einfache"Insolvenzforderungen geltend machten.
Mit seinem Antwortschreiben vom 23. Juli 2021 vertrat der Beklagte dagegen die Auffassung, dass es sich bei der Gewerbesteuerschuld um eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO handele, welche auch bei der Verteilung einer Sondermasse entsprechend der insolvenzrechtlichen Verteilungsreihenfolge vorrangig zu bedienen sei.
Der Kläger hat daraufhin am 23. Februar 2022 Feststellungsklage erhoben, mit welcher er die Feststellung begehrt, dass er die Gewerbesteuerforderung des Beklagten nur anteilig im Verhältn...