Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG
Leitsatz (amtlich)
Das Finanzamt hat die Verlustfeststellung nicht pflichtwidrig gem. § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG unterlassen, wenn ihm Werbungskosten für ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung zwar aus der eingereichten Steuererklärung bekannt sind, es diese aber im Zeitpunkt der Veranlagung in Übereinstimmung mit der geltenden Verwaltungsauffassung lediglich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt. Die Ausnahme des § 181 Abs. 5 AO i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG, wonach das pflichtgemäße Unterlassen einer Verlustfeststellung zu einer Verlängerung der Feststellungsfrist führt, hat nicht den Sinn, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens abzunehmen. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Änderungsvorschrift des § 173 AO, die (auch) nicht dazu dient, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet wird, sich auf Tatsachen gegenüber dem FA erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der BFH-Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als relevant erscheinen lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 23.11.1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180).
Normenkette
EStG § 10d Abs. 4 S. 6 2. Halbsatz; AO §§ 173, 181 Abs. 5
Tatbestand
A.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, eine Verlustfeststellung auf den 31.12.2004 durchzuführen.
I.
Die Klägerin ist ausgebildete... Im Jahr 2003 begann sie ein ... Studium in A (...), das sie 2008 erfolgreich abschloss.
II.
1. Die Klägerin reichte am 28.07.2005 beim FA B elektronisch ihre Einkommensteuererklärung für 2004 ein.
Die übermittelte Erklärung enthält eingangs folgende Bezeichnung:
"Einkommensteuererklärung
Antrag auf Festsetzung der Arbeitnehmer-
Sparzulage
Erklärung zur Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags"
Die Klägerin erklärte einen Bruttoarbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 833,00 € und machte als Werbungskosten Fahrten zu ihrem 89 km entfernten Studienort in A für 220 Tage geltend sowie "Fortbildungskosten" in Höhe von 1.780,00 € und sonstige Werbungskosten in Höhe von 36,00 € (Rechtsbehelfsakte -RbA- Bl. 44 ff.).
2. Mit Einkommensteuerbescheid vom 02.11.2005 setzte das FA B die Einkommensteuer für 2004 auf 0,00 € fest (RbA Bl. 48 ff.). Das FA B ermittelte darin einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 0,00 €, indem es von dem erklärten Bruttoarbeitslohn den Arbeitnehmer-Pauschbetrag abzog. Bei den Sonderausgaben berücksichtigte das FA neben Steuerberatungskosten in Höhe von 20,00 € "Weiterbildungskosten" in Höhe von 4.000,00 €. Unter Abzug von beschränkt abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von 619,00 € ermittelte es ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von -4.639,00 €.
Der Bescheid enthält folgende Erläuterung:
"Die als Fortbildungskosten geltend gemachten Aufwendungen sind Ausbildungskosten. Sie wurden als Sonderausgaben in Höhe von 4.000 EUR berücksichtigt."
III.
1. Mit Antrag vom 16.09.2013 beantragte die Klägerin bei dem beklagten FA, zum 31.12.2004 einen Verlustvortrag in Höhe von 12.731,00 € (Einnahmen in Höhe von 833,00 € abzgl. Werbungskosten in Höhe von 13.564,00 €) gesondert festzustellen (RbA Bl. 1).
Im Einzelnen brachte die Klägerin dabei folgende Werbungskosten in Abzug:
Fahrkosten in Höhe von 11.748,00 € (220 Tage x 2 x 89 km x 0,30 €), Literatur in Höhe von 200,00 €, Studiengebühren in Höhe von 1.580,00 €, Kontoführungskosten in Höhe von 16,00 € und Steuerberatungskosten in Höhe von 20,00 €.
Zur Begründung des Antrags führte sie aus, die Festsetzung sei erforderlich, da sie für die Einkommensteuerfestsetzung 2009 noch von Bedeutung sei (unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 15.05.2013, IX R 5/11). Der Finanzverwaltung sei bereits durch die Einreichung der Einkommensteuererklärungen 2003 und 2004 bekannt gewesen, dass sie, die Klägerin, nach ihrer ersten Berufsausbildung ein Studium aufgenommen habe. Entsprechend seien die Studienkosten für 2003 als Werbungskosten abgesetzt und anerkannt worden. Für 2004 seien die Studienkosten durch das FA - abweichend von der Steuererklärung - nicht als Werbungskosten abgesetzt, sondern als Ausbildungskosten bei den Sonderausgaben berücksichtigt worden. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 habe sie, die Klägerin, keinen Einspruch einlegen können, da eine zutreffende Beurteilung des Sachverhaltes sich nicht auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hätte. Der ebenfalls mit der Steuererklärung 2004 beantragte Erlass eines Feststellungsbescheides zum Verlustabzug auf den 31.12.2004 sei nicht bearbeitet worden. Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Spätestens nach der Entscheidung des BFH vom 18.06.2009 (VI R 14/07) sei bekannt gewesen, dass Studienkosten für 2004 als Werbungskosten zu erfassen seien. Das FA sei daher verpflichtet gewesen, ei...