Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang der Einspruchsrücknahme nach Verböserungsankündigung
Leitsatz (amtlich)
Die Absendung des Einspruchsrücknahme-Schreibens begründet keine Vermutung und keinen Anscheinsbeweis und reicht auch als alleiniges Indiz nicht für den Zeitpunkt ihres Zugangs.
Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Eingangsstempel-Datums genügen nicht zur Widerlegung der hohen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde.
Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für die Einspruchsrücknahme vor der verbösernden Einspruchsentscheidung.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht, wenn keine gesetzliche, sondern nur eine behördliche Frist versäumt wird, wie die in der Verböserungsankündigung vom Finanzamt gewährte Frist zur Einspruchsrücknahme.
Normenkette
AO §§ 110, 122, 124, 362, 367; ErbStG §§ 7, 10, 25; FGO § 81 Abs. 1 S. 2, §§ 82, 96; ZPO § 418
Tatbestand
Streitig ist, ob im Einspruchsverfahren nach Verböserungshinweis des Beklagten (des Finanzamts --FA--) diesem die Einspruchsrücknahme vor der Einspruchsentscheidung zugegangen ist oder ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
I.
Mit notariellem Vertrag vom 3. September 2003 übertrug der Vater des Klägers ein Grundstück auf eine neu gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus sich selbst, seiner Ehefrau, dem Kläger und dessen Bruder. Die Söhne erhielten jeweils 20 % der Anteile. Der Vater behielt sich auf seine Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an den Gesellschaftsanteilen vor. Er verpflichtete sich, für die im Grundbuch als Belastungen eingetragenen Verbindlichkeiten sowohl die Zinsen als auch die Tilgungen für die Dauer des Nießbrauchs zu tragen (Schenkungsteuer-Akte --SchenkSt-A-- Bl. 3).
II.
Nach Eingang der notariellen Anzeige beim FA im September 2003 reichte der Kläger seine Schenkungsteuer-Erklärung im Juli 2004 ein. Darin erklärte er im Zusammenhang mit der Grundstücksübergabe übernommene Darlehensverbindlichkeiten (20 % von 855.535,29 =) 171.107,06 Euro und sonstige Verbindlichkeiten aus der Abwicklung des Übergabevertrags (20 % von 11.063,21 =) 2.212,64 Euro; zusammen (20 % von 866.598,49 =) 173.319,70 Euro (SchenkSt-A Bl. 1, 18, 20).
Der Grundbesitzwert auf den 3. September 2003 wurde mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 24. April 2006 für den Kläger mit 20 % von 1.982.000 Euro auf 396.400 Euro festgestellt (SchenkSt-A Bl. 23).
Mit Schenkungsteuer-Bescheid vom 28. August 2006 ging das FA wegen der erklärten Darlehensübernahme von einer gemischten Schenkung aus. Dazu legte es anstelle des festgestellten Grundbesitzwerts einen auf 560.000 Euro geschätzten Verkehrswert zugrunde und zog es davon Belastungen von 173.320 Euro ab, so dass sich ein Verkehrswert der Bereicherung bzw. Steuerwert der freigebigen Zuwendung von 273.714 Euro ergab. Die Steuer errechnete das FA für den Fall der Stundung bis zum Erlöschen des Nießbrauchs beim Tod des Schenkers mit 7.557 Euro; den Barwert für den Fall der sofortigen Ablösung setzte es auf 3.574 Euro fest (§ 25 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz i.d.F. des Streitjahrs --ErbStG--; SchenkSt-A Bl. 28, 26).
Der Kläger legte am 26. September 2006 Einspruch ein und beantragte die Stundung der Steuer bis zum Erlöschen des Nießbrauchs (SchenkSt-A Bl. 30).
Das FA kündigte nach nochmaliger Überprüfung des Sachverhalts mit Schreiben vom 21. Mai 2008 eine Verböserung an und gewährte eine Frist zur Stellungnahme bis 30. Juni 2008. Da der Schenker für die Dauer des Nießbrauchs auch die Darlehen tilge, sei der Kläger durch diese im Schenkungszeitpunkt nicht belastet. Es handele sich somit nicht um eine gemischte, sondern um eine normale Schenkung. Die Darlehensverbindlichkeiten seien aufschiebend bedingte Lasten, die erst nach Erlöschen des Nießbrauchs mit dem Tod des Schenkers im Wege eines Berichtigungsantrags gemäß § 6 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 Bewertungsgesetz (i. d. F. des Streitjahrs --BewG--) zu beziffern und zu berücksichtigen seien. Bis dahin belaufe sich die zu stundende Steuer auf 20.801 Euro bzw. der Betrag für ihre sofortige Ablösung auf 8.861,23 Euro (SchenkSt-A Bl. 40).
Der Ankündigung entsprechend setzte das FA die Schenkungsteuer mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2008 herauf (SchenkSt-A Bl. 43, FG-Anl.).
Mit Eingangsstempel vom 19. August 2008 ging beim FA ein Schreiben ein vom Steuerberater und jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem Datum 25. Juli 2008. Darin wurde um Entschuldigung für die späte Antwort gebeten und die Rücknahme des Einspruchs erklärt unter der Voraussetzung der Stundung der Schenkungsteuer bis zum Tod des Schenkers (SchenkSt-A Bl. 58; FG-Anl.).
Die Absendung des Schreibens ist zusammen mit verschiedenen weiteren Briefen vom 25. Juli 2008 taggleich im Postausgangsbuch des Steuerberaters und jetzigen Prozessbevollmächtigten vermerkt (FG-Anl.).
Mit Antwort vom 25. August 2008 teilte das FA mit, dass das Schreiben vom 25. Juli 2007 erst am 19. August 2008 und somit nach Bekanntgabe der Einspr...