Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland
Leitsatz (amtlich)
1. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes oder eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland obliegt im Kindergeldverfahren dem Kläger. Erforderlich ist insbesondere, dass er darlegt und beweist, wann er im Inland gewesen ist.
2. Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht nicht aus, ebenso nicht eine bloße Schlafstelle in Betriebsräumen. Innehaben der Wohnung bedeutet, dass der Anspruchsteller tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Die Nutzung muss zu Wohnzwecken erfolgen; eine Nutzung zu ausschließlich beruflichen oder geschäftlichen Zwecken reicht nicht aus, ebenso nicht ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken. Schließlich muss das Innehaben der Wohnung unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass die Person die Wohnung beibehalten wird. Zur Bestimmung des insoweit zu berücksichtigenden Zeitmoments kann im Rahmen des § 8 AO auf die in § 9 Satz 2 AO normierte Sechsmonatsfrist zurückgegriffen werden.
Normenkette
EStG § 62; AO §§ 8-9
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger das Kindergeld für seine beiden Kinder zusteht. Insbesondere ist streitig, ob der Kläger einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Der Kläger hat zwei Kinder. Diese sind am ... 2012 und am ... 2014 in Polen geboren. Beide Kinder leben bei ihrer Mutter in Polen.
Am 12.09.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf deutsches Kindergeld. Als Adresse gab er die Straße-1 ..., X an. Er erklärte, dass er als ... selbstständig tätig sei und eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden habe. Er sei in Deutschland nicht sozialversicherungspflichtig. Als Anschrift des Betriebes nannte er "A GbR, Straße-2 ..., B an. Außerdem gab er an, dass seine Ehefrau in Polen in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung unselbständig erwerbstätig gewesen sei. Der Kläger legte insbesondere eine Meldebestätigung vom ...07.2014 vor, nach der er am ...03.2014 in der Wohnung in der "Straße-1 ... bei Fa. C, ... X" als einzige Wohnung gemeldet sei. Außerdem legte er eine Gewerbeanmeldung aus 2009 vor.
Die Beklagte bat durch Schreiben vom 15.10.2014 um die Vorlage diverser Unterlagen, insbesondere um den Nachweis von Mietzahlungen.
Der Kläger legte ein Schreiben der C vom 03.07.2014 vor, durch welches diese bestätigte, dass die von der Fa. C angemietete Wohnung in der Straße-1 ..., X, III. OG re, WE ..., von der Fa. A genutzt werden dürfe. In einem weiteren undatierten Schreiben erklärte die C, dass die entsprechende Wohnung vom August 2012 bis Mai 2013 von der Fa. A genutzt worden sei.
Außerdem legte der Kläger diverse Rechnungen der A GbR, Straße-3 ..., B an die C GmbH vor.
Durch ihr Schreiben vom 18.12.2014 teilte die Beklagte mit, dass die bisher eingereichten Unterlagen nicht ausreichend seien. Insbesondere sei bisher noch nicht die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland nachgewiesen worden.
Der Kläger teilte durch sein Schreiben vom 09.01.2015 mit, dass er Gesellschafter einer GbR sei, für die das zuständige Finanzamt in B die Veranlagung noch nicht durchgeführt habe, so dass er auch noch keine Einkommensteuererklärung habe abgeben können.
Am 15.01.2015 lehnte die Beklagte das Kindergeld für das Kind D (geboren am ... 2012) ab August 2012 ab.
Der Kläger legte am 22.01.2015 Einspruch ein, welcher durch die Einspruchsentscheidung vom 27.04.2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Hiergegen hat er am 27.05.2015 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, er lebe und arbeite seit dem ...07.2011 in Deutschland. Er habe seine Steuererklärungen für die Jahre 2012, 2013 und 2014 am 31.03.2015 übersandt. In diesen Steuererklärungen erklärte der Kläger für 2013 einen Gewinn als Einzelunternehmer in Höhe von 6.967 €, in 2012 in Höhe von 9.101 € und für 2011 in Höhe von 6.314 €. In diesem Zeitraum habe er in Polen kein Einkommen erzielt. Er beziehe keine polnischen Familienleistungen. Die GbR bestehe aus ... Personen, auch ... seien Gesellschafter dieser GbR. Es gebe keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag. Er, der Kläger, arbeite häufig sechs Tage in der Woche von 7 bis 18 Uhr. Seit 2014 würde die GbR mit der Auftraggeberin nach Tagen abrechnen. Die Miete zahlten sie an ihre Auftraggeberin in bar. Seit 2009 habe die GbR nur einen Auftrag gehabt, den mit der Firma C für YY.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Ablehnungsbescheid vom 15.01.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für den Kläger für die Kinder D, geb. ... 2012, und E, geb. ... 2014, jeweils Kindergeld ab Geburt zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die ...